Die Nacht war sehr unruhig. Irgendwo in der Straße waren ein oder mehrere Häuser, in denen ständig jemand gebrüllt und krakeelt hat. Mein Zimmer lag zur Straße etwas tiefer versetzt, was die Sache nicht gerade einfacher machte. Jedenfalls habe ich ab 02:00 Uhr in der Nacht nicht mehr besonders viel geschlafen. Dafür war ich dann morgens zeitig dran und konnte mich schon um 09:00 Uhr in den Sattel Richtung Taizé schwingen. Genau genommen lag mein Ziel ca. 10 – 15 Kilometer vor Taizé.
Raus ging es aus Dijon bei top Wetter und, wie immer in Städten, nicht so ganz stressfrei. Aber die angenehmen Temperaturen und die Aussicht, am Ende der Stadt auf einem abgelegenen Fahrradweg durch die Weingebiete Burgunds fahren zu können, versüßte mir den Stadtverkehr. Doch erstmal hatte ich, mal wieder auf dieser Tour, ein technisches Problem. Die Lenkerkamera lies sich nicht um alles in der Welt in Betrieb nehmen. Egal ob allein, mit Zusatzakku, am Powerpack angeschlossen, sie lies sich nicht einschalten. So ein Mist, dabei hatte ich sie extra die ganze Nacht am Ladegerät hängen. Na gut, muss ich halt viel mit der Handkamera knipsen.
Recht schnell war mir klar, wo denn auf dieser Route die mehr als 800 Höhenmeter herkommen sollen. Denn der Radweg verlief immer am rechten Rand des riesigen Talkessels entlang, in die die Richtung der Route ging. Das war ein ständiges auf und ab durch tolle, kleine Weinbauorte. Die Route trägt wohl nicht um sonst den Namen „Route des grands crus de Bourgogne“. Soweit so gut. Weniger gut war, dass die Wegequalität so miserabel war, dass ich nur im Schneckentempo vorwärts gekommen bin. Egal ob geteert oder ungeteert, die Straße war übersät mit riesigen Schlaglöchern, Flickenteppich und glich eher einer Buckelpiste, denn einer Straße. Und so lag meine Durchschnittsgeschwindigkeit bei weniger als 10 Kilometer in der Stunde. So waren die 108 Kilometer heute nicht zu schaffen.
Ich habe dann versucht, auf die Hauptstraße auszuweichen. Da lief es zwar recht gut, aber dafür war der Verkehr ziemlich heftig. So fanatisch die Franzosen ja bei der Tour de France sind, Radfahrern im normalen Straßenverkehr gegenüber sind sie wenig rücksichtsvoll. Der Abstand beim Überholen beträgt selten mehr als 20 Zentimeter, aber das Schlimmste sind die Kreisverkehre. Da wird man als Radfahrer grundsätzlich geschnitten.
Also bin ich wieder zurück auf die Radwege und dafür entsprechend langsam voran gekommen. Das ging so bis Beaune. Ab da waren die Radwege meist von guter bis sehr guter Qualität und die Durchschnittsgeschwindigkeit stieg ruckartig an. Ab Chagny wurde es richtig schön, da ging es für einige Kilometer am Canal du Centre in Richtung Chalon sur Saône entlang. Hier war richtig flottes Fortkommen möglich, außerdem war das Fahren ohne Autoverkehr natürlich ein Traum und eine Erholung dessen, was hinter mir lag.
Entsprechend traurig war ich, als ich ca. 10 Kilometer vor Chalon den Kanalradweg verlassen musste. Aber ich hatte mir umsonst Sorgen gemacht. Nach ein paar weniger angenehmen Kilometern bin ich auf einem wunderschönen Radweg durch ein ausgedehntes Waldstück gelandet. Und wieder einige Kilometer weiter mündete dieser Radweg dann in den voie verte de Bourgogne du Sud. Das ist ein Bahntrassenradweg. So werden Radwege genannt, die auf ehemaligen Eisenbahntrassen, die stillgelegt und zurückgebaut wurden, verlaufen. Das schöne daran ist, dass sie i.d.R. super ausgebaut sind und nur über mäßige Steigungen und Gefälle verfügen.
Normal ist es so, dass man auf einem Gefälle mit hoher Geschwindigkeit den Berg hinunter schießt. I.d.R. nur ein kurzes Vergnügen, an dessen Ende es meist wieder bergauf geht. Auf diesem Radweg war das Gefälle nur unmerklich, hat aber in Verbindung mit dem Rückenwind dafür gesorgt, dass ich über längere Strecken mit 35 KM/H und mehr entlang fahren konnte, ohne merklich Kraft einsetzen zu müssen.
Und so kam es, dass ich, was ich zu Beginn der Fahrt kurz hinter Dijon nie zu hoffen geglaubt hatte, dann doch schon gegen 16:40 Uhr an meinem Ziel in Malay ankam. Das Hotel ist zwar eher einfach gehalten, aber das Zimmer liegt ruhig und ich habe die Hoffnung auf ein reichhaltiges Abendessen nach dieser doch recht speziellen Etappe.
Übrigens Taizé, zeitgleich mit mir kam ein Bus aus Deutschland an mit einer ganzen Ladung Jugendlicher aus einem evangelischen Jugendwerk. Die wollen sicher nach Taizé. Der Busfahrer dagegen hat mit mir im gleichen Hotel genächtigt und es war ganz nett, sich mal wieder auf Deutsch unterhalten zu können.
<– Ruhetag Dijon –> Malay – Lyon
<– Ruhetag Dijon –> Malay – Lyon
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