Potsdam - Babelsberg - Havel

Potsdam – Babelsberg – Havel

Nachdem im vergangenen Jahr Corona bedingt nicht all zu viel planbar war, soll es dieses Jahr für mich wieder auf eine 3-wöchige Radtour gehen. Ausgesucht habe ich mir eine Rundtour von knapp 1.000 km Länge, die südlich von Berlin in Bad Belzig starten soll. 

Warum Bad Belzig? Das hat überhaupt keinen tieferen Grund. Der Ort liegt in der Nähe der A9 und ermöglicht mir, in 2 äußerst entspannten, weil nur 60, bzw. 65 km langen Tagesetappen Potsdam zu erreichen. Da ich mal wieder keinen Platz für mein Fahrrad in den Fernzügen der Deutschen Bahn bekommen habe, werde ich mit dem Auto anreisen.

Von Bad Belzig geht es also nach Brandenburg an der Havel und weiter nach Potsdam. Hier plane ich einen Tag für Berlin und einen weiteren für Potsdam zur Besichtigung ein.

Berlin

Berlin

Weiter geht es entlang der Havel bis nach Fürstenberg. Von dort quer rüber und vorbei am südlichen Zipfel der Müritz nach Plau am See. Von Plau aus nach Schwerin und dann runter nach Boizenburg an der Elbe. Der Elbe werde ich flussaufwärts bis zur Lutherstadt Wittenberg folgen und von dort wieder hoch nach Bad Belzig.

Alles in allem eine sehr entspannte Tour mit viel Natur und deutlich mehr Ruhetagen als sonst durch Brandenburg, Meckelenburg-Vorpommern,  Sachsen-Anhalt und natürlich auch Berlin und speziell Potsdam.

Wie immer habe ich die Routen schon sehr detailliert vorgeplant und auch die Unterkünfte bereits gebucht. Jedoch mit der entsprechenden Flexibilität, um bei Bedarf Route und Unterkünfte auch von unterwegs jederzeit umplanen zu können. Los geht‘s am 31.07. 

Geplanter Routenverlauf:

 

So, nach sehr kurzer Nacht ging es am Samstag früh um 03:15 Uhr los. Warum so früh? Da Ferienbeginn in Baden-Württemberg und Bayern, sowie Ferienende in einigen nördlichen Bundesländern war, war mit viel Verkehr auf den Autobahnen zu rechnen. Außerdem war ich mit dem eGolf unterwegs und musste vier Ladestopps einlegen.

Ladestation Raststätte Lonetal

Viel gibt es zur Fahrt nícht zu sagen, außer etwas Statistik: Insgesamt bin ich 679 km gefahren. Dafür war ich 12 Stunden unterwegs. Gut eine Stunde habe ich im Großraum Leipzig in mehreren Staus verbracht. Wie schon geschrieben habe ich unterwegs vier Mal einen Ladestopp von jeweils 25 – 45 Minuten Dauer eingelegt. Man sieht, elektrisch Langstrecke fahren geht, aber es braucht Zeit – viel Zeit. Aber ich bin ja im Urlaub und habe das entsprechend eingeplant.

Durch den frühen Start war ich schon gegen 15:00 Uhr am Zielort in Bad Belzig und habe auch dort sofort eine Ladestation angesteuert und das Auto, ein fünftes Mal, gleich wieder voll für die Rückfahrt geladen. Meine Pension war gleich gefunden und, entgegen der vorab eingeholten Auskunft, wurde mir sogar gestattet, mein Auto für die drei Wochen auf dem Parkplatz der Anlage stehen zu lassen.

Mein Zimmer war, entsprechend dem günstigen Preis, gut 10 m2 groß und enthielt nichts außer einem

Pension Bad Belzig

schmalen Einzelbett und einer Ablage für den Kofferinhalt. Abends bin ich in die Altstadt von Bad Belzig gegangen und habe bei einem Italiener zu Abend gegessen. Da ich in der Nacht davor nur ca. 3 Stunden geschlafen habe, war ich ziemlich erschöpft und bin entsprechend früh schlafen gegangen.

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Am nächsten Morgen, es war Sonntag, habe ich nach einer ausgiebigen Dusche erstmal mein Fahrrad aus dem Auto geholt und zusammen gebaut. Dann das Gepäck fertig gepackt und ans Rad gehängt. Kurze Proberunde auf dem Parkplatz – alles okay. Zimmerschlüssel abgegeben und erstmal wieder rein nach Bad Belzig, denn Frühstück gab’s in der Pension leider keines. Zum Glück gab es einen “lila Bäcker”, der Sonntags geöffnet hatte. Und so konnte ich nach einer kurzen Frühstückspause endlich meine Tour starten.

Endlich wieder auf Tour

Allerdings habe ich gleich mal die Orientierung verloren und bin nach kurzer Irrfahrt wieder bei der Pension von vergangener Nacht gelandet. Von dort ging’s gleich mal ordentlich den Berg hoch nur um oben festzustellen, dass der Weg, den das GPS vorgesehen hatte, gesperrt war. Also wieder alles zurück, rein in die Altstadt und diesmal habe ich den richtigen Abzweig gefunden. Die nächsten knapp 15 Kilometer ging es mal mehr, mal weniger bergauf. Entsprechend gemütlich habe ich es angehen lassen. Dann aber waren die Steigungen für diesen Tag geschafft und es ging flott Richtung Norden.

Meist lief der Radweg parallel zur wenig befahrenen Bundesstraße. Zwischendurch folgte er aber auch einem Bahnradweg, der traumhaft zu fahren war. Es ging durch Ortschaften wie Görzke, Rottstock, Köpernitz bis Ziesar. Hier führte die Radroute kreuz und quer durch die Stadt. Ich habe die Gedanken der Radwegplaner noch nie verstanden, die es

Bahnradweg – hier sieht man noch den Schotter der früheren Gleise

für eine gute Idee halten, Radfahrer über Kopfsteinpflaster zu führen. Mit dem schweren Gepäck am Rad ist das ein unendliches Geschüttel im Schritttempo. Aber endlich war ich durch. Allerdings war nun auch der Radweg zu Ende und es ging auf einer Landstraße weiter. Im Gegensatz zur Bundesstraße vorher, war die jedoch ziemlich stark befahren und ich war froh, dass es Sonntag war und wenigstens keine LKW unterwegs waren. Also Kopf einziehen und durch – bis nach Wusterwitz.

Hier ging es runter von der Landstraße und erstmal mitten durch einen Camping-Platz direkt am Ufer des Großen Wusterwitzer See entlang. Ab jetzt führte der Radweg mehr oder wenig direkt an divesen Seen entlang und so folgte Heiliger See, Möserscher See, Breitlingsee bis zur Brandenburger Niederhavel. Von hier waren es nur noch wenige Kilometer bis nach Brandenburg an der Havel. Allerdings hatte mal wieder das Wetter den Wetterbericht nicht gelesen. Der sagte eindeutig trocken für den Sonntag vorher. Plötzlich fing es aber wie aus heiterem Himmel an zu regnen, und wie. Ich habe mir einen Baum gesucht und mich dort erstmal untergestellt. Schnell das Handy raus und das Regenradar geprüft. Darauf war zu sehen, dass der Regen genau so schnell wieder abziehen würde, wie er gekommen ist. Nach gut 10 Minuten war der Spuk vorüber und ich habe die Regenjacke gleich wieder ausgezogen. Weiter ging es die letzten Kilometer auf nassen Straßen, aber von oben dafür trocken.

Rast an einem der vielen Seen vor Brandenburg/Havel

Mein Hotel lag in der Neustadt von Brandenburg. Parkplätze zum Hotel gab’s zwar keine, aber, das Wichtigste, ein Fahrradschuppen war im Innenhof vorhanden. Damit Gepäck runter, Fahrrad untergestellt und Zimmer bezogen. Abends bin ich von der Neustadt in die Altstadt und bis zur Dominsel gelaufen. Dabei musste ich feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, einen Platz in einem Restaurant zu ergattern. Nach drei vergeblichen Vesuchen hatte ich im vierten Restaurant Glück. Allerdings hat man mir gleich gesagt, ich müsse 45 – 60

Minuten Zeit mitbringen, denn die Küche wäre gerade komplett ausgelastet. So lange hat es auch tatsächlich gedauert, aber das Warten hat sich gelohnt. Das Restaurant hieß Kartoffelkäfer und gab alle Gerichte mit Kartoffen. Die Bratkartoffeln waren vorzüglich und das Steak dazu auch nicht zu verachten.

Steintorbrücke in Brandenburg an der Havel

Zurück im Hotel musste ich feststellen, dass Kopfsteinpflaster nicht nur mühsam für Fahrradfahrer ist. Die Geräusche, wenn Autos darüber fahren sind auch nicht zu verachten und so blieb mir nichts anderes übrig, als irgendwann die Fenster zu schließen, sonst hätte ich bei dem Lärm nicht schlafen können. Bin halt von zu Hause verwöhnt. Dort fährt nachts i.d.R. kein Auto. Vielleicht ein Vorteil, dass dieser August einen doch recht unterkühlten Einstand gab. Es war im Zimmer nicht unerträglich heiß, so dass man das Fenster auch für einige Stunden schließen konnte.

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Am Montag früh musste ich feststellen, dass es in der Nacht geregnet hatte. Aber die Straßen waren schon wieder am abtrocknen. Ich habe mich nicht groß beeilt, denn die heutige Etappe war nur ca. 60 Kilometer lang.

Die Havel vom Havel-Radweg aus

Los ging es dann durch die Altstadt der Neustadt in östlicher Richtung aus Brandenburg heraus. War für ein Glück, dass meine Hauptfahrtrichtung heute Osten war, denn der Wind blies ziemlich kräftig aus Westen. Das heißt also Rückenwind. Die ersten Kilometer folgte der Radweg der B1, die aber nur mäßig befahren war. In Gollwitz war dann die Abzweigung auf den Havelradweg. Âb jetzt ging es Kilometer um Kilometer auf schönsten Radwegen mitten durch die Natur. Und davon hat (das Bundesland) Brandenburg in diesem Bereich genug. Immer wieder konnte ich einen Blick auf die Havel erhaschen und dort wechselten kleine Sportboote mit gemächlichen Hausbooten ab. Zwischendurch war auch mal eines der großen Binnenschiffe unterwegs.

Idyllischer Platz für ein Hausboot auf der Havel

Da die Tagesetappe kurz war, lies ich mich treiben und habe oft angehalten und auf einer der vielen Bänke entlang der Route den Urlaub genossen. Nach der Hälfte der Etappe waren die Pausen dann aber doch mehr und mehr dem immer mehr schmerzenden Hinterteil geschuldet. Auch das eine Auswirkung des Corona-Homeoffice. Neben fehlender Kondition in den Beinen war auch mein Körper nicht mehr an das Radfahren gewöhnt. Und so war zu erwarten, dass Oberschenkel und Hinterteil die ersten Tage auf dem Rad Probleme bereiten würden. Entsprechend kurz hatte ich auch die ersten beiden Tagesetappen geplant. Ich hatte jede Zeit der Welt. Und nachdem immer mehr die Sonne zum Vorschein kam, war es auch kein

Nicht nur idyllisch, auch große Binnenschiffe sind auf der Havel unterwegs

Problem, alle paar Kilometer eine kurze Pause in der Natur zu genießen. Die Temperatur war mit ca. 18 Grad jedoch etwas unterkühlt für Anfang August.

Nachdem ich durch Werder an der Havel durch war, war die Nähe der Großstädte immer mehr spürbar. Man merkte deutlich, dass die Route mitten durch das Naherholungsgebiet von Berlin und Potsdam führte, denn Bootsanleger reihte sich an Bootsanleger und der Radweg führte mehr als einmal mitten durch einen Campingplatz. Bald war Potsdam erreicht, doch die ersten Kilometer merkte ich nichts von der Stadt, da der Radweg immer direkt an der Havel, bzw. am Templiner See entlang führte. Dann ein kurzes Stück mitten durch das Großstadtgewühl, bevor auch schon mein Hotel in der Altstadt von Potsdam erreicht war.

Potsdam vom Radweg aus

Es liegt mitten im holländischen Vierteil und erwies sich als Glücksgriff. Mein Zimmer lag zum Innenhof und es war absolut ruhig hier. Dazu eine angenehme Zimmergröße und sogar ein Balkon war vorhanden. Da ich hier 3 Nächte bleiben werde, ein absoluter Traum mit einem excellenten Preis- Leistungsverhältnis.

Nach der Erfahrung vom Vortag habe ich gar nicht lang herum experimentiert und gleich online einen Tisch beim fliegenden Holländer für den Abend reserviert. Okay, das Essen war so la la, die Speisekarte extrem übesichtlich und die Hälte davon schon nicht mehr lieferbar, da ausgegangen. Aber ich konnte meinen Hunger stillen und habe mir auf dem Rückweg zum Hotel noch ein großes Softeis geleistet. Direkt gegenüber vom Hotel ist ein kleiner Park mit einem sowjetischen Ehrenmal, durch den ich noch etwas “gelustwandelt” bin – allerdings noch ohne das Ehrenmal zu bewundern. Wie immer wenn ich auf Radurlaub bin, bin ich früh

Innenhof in meinem Hotel in Potsdam

aufs Zimmer und zu Bett gegangen. Komischerweise viel früher als zu Hause. Mal sehen, wie das Wetter morgen und übermorgen wird und was ich mir anschauen werde.

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Und schon sind zwei Tage Potsdam vorbei. Zuerst steht das bei Ruhetagen übliche Wäsche waschen auf dem Programm. Danach bin ich bei bestem Wetter zu Fuß los und einfach ziellos durch das holländische Viertel und die Altstadt von Potsdam geschlendert. Irgendwann kam ich beim Hauptbahnhof raus und habe mich entschlossen, ganz bequem per Bus eine Tour entlang Schlösser, Parks und Altstadt von Potsdam zu genießen. Angenehm war, dass die erklärende Stimme nicht vom Band kam, sondern eine Begleiterin dabei war, die uns alles schön live erzählt hat.

Hauptgebäude Neues Palais in Potsdam

Der erste Stopp ließ uns beim “neuen Palais” aussteigen. Die 20 Minuten Zeit haben aber nicht annährend ausgereicht, dieses riesige Schloss von außen anzuschauen und ein paar beeindruckende Bilder zu machen. Weiter ging es zum Schloss Sanssouci. Welch Unterschied zum neuen Palais. Dagegen wirkt Sanssouci geradezu wie ein kleines Schlösschen. Kein Wunder, dass die damaligen Herren noch ein paar große Schlösser darum herum bauen ließen. Sanssouci hätte viel zu wenig Platz geboten. Nach 30 Minuten, die immerhin ausreichten, das Schloss in Ruhe zu umrunden, ging es weiter zum letzten Schloss der Tour, Schloss Cecilienhof, erbaut im Stile des englischen Tudor (Landhaus-Stil).

Schloss Sansouci in Potsdam – wirkt irgendwie klein gegenüber dem Neuen Palais

Rückwirkend eine nette Auswahl an den vorhandenen Schlössern von Potsdam. Neues Palais – groß, mächtig beeindruckend. Sanssouci – weltbekannt, aber aus der Nähe fast unscheinbar. Und Cecilienhof – wirkt weniger wie ein Schloss, fast schon verspielt mit seinen über 40 Kaminen.

Schloss Cecilienhof in Potsdam – englischer Tudor-Stil

Zwischen diesen Schlössern war natürlich jede Menge Stadt Potsdam auf dem Weg und die Dame hat erzählt und erzählt. Alles in allem sehr informativ und die Teilnahme hat sich für mich gelohnt.

Am nächsten Tag war ich etwas unschlüssig, denn lt. Wetterbericht sollte es den ganzen Tag über immer wieder regnen. Also dachte ich, warum nicht nach der Bustour Potsdam jetzt von der Wasserseite aus zu betrachten. Schließlich ist Potsdam von allen Seiten von Wasser umgeben, also quasi eine Insel. Also frühmorgens online ein Ticket für die große Inselrundfahrt gebucht und pünktlich um 10:30 Uhr ging es los. Diese Tour war insofern interessant, als Teile der Schlösser von gestern von der Seeseite umfahren wurden. Andererseits verlief die Tour zu fast 50% entlang des Radwegs, den ich von Brandenburg/Havel gekommen bin. Ist für mich immer ganz interessant, die gleichen Dinge von mehreren Perspektiven zu sehen.

Potsdam vom Wasser aus

Es war eine wirklich große Inselrundfahrt, bei der die Stimme diesmal aber leider vom Band kam. Nichts destotrotz fand ich es sehr interessant und für einen Ruhetag geradezu ideal. Als Schlechtwetterprogramm jedoch überflüssig, denn es war die ganze Zeit über schön, bis auf die letzten fünf Minuten vor Tourende, da hat es tatsächlich für einige Minuten leicht geregnet. Egal, wie gesagt, mir hat es gefallen. Am Abend bin ich noch ein XXL-Schnitzel essen gegangen, um für die nächsten Tage gewappnet zu sein.

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Grenze Potsdam – Berlin; Glienicker Brücke voraus

Nach einer nochmals sehr ruhigen und angenehmen Nacht in meinem schönen Zimmer im Hotel im holländischen Viertel von Potsdam ging es am nächsten Morgen weiter mit dem Rad. Mein heutiges Ziel: Birkenwerder. Gleich zu Beginn ein Highlight unter Agentenfreunden, es ging über die Glienicker Brücke. Hier fanden zu Zeiten des kalten Krieges die Agentenaustäusche zwischen Ost und West statt. Gestern bin ich übrigens mit dem Schiff unter dieser Brücke hindurchgefahren, heute überquere ich sie per Fahrrad. Die Brücke war bereits die Grenze zwischen Brandenburg und Berlin. Ab jetzt war ich also auf Berliner Gebiet unterwegs und folgte erstmal weiterhin dem Havel-Radweg.

So bequem, wie es sich anhört, war die Strecke aber gar nicht, denn nach kurzer Fahrt direkt am Ufer der

Auf dem Weg zum Brandenburger Tor

Havel entlang, folgte ein ständiges auf und ab, zuerst entlang des Großen Wannsee, der an dieser Stelle auch Teil der Havel ist. Weiter ging es im auf und ab durch den Grunewalder Forst, an dessen Ende ich mich entschlossen hatte, den Havel-Radweg vorerst zu verlassen. Auch wenn Berlin diesmal nicht wirklich Teil meiner Route war, so fand ich es doch ganz nett, mal mit dem Fahrrad um das Brandenburger Tor zu fahren. Also bin ich am Ende des Grundewalder Forsts nach rechts abgebogen und der B2 Richtung Innenstadt gefolgt. Immerhin 10 Kilometer ging es immer geradeaus, nur durch ein paar Kreisverkehre unterbrochen.

Die Siegessäule in Berlin

Kurz vor dem Ziel, beim Tiergarten, kam ich an einem der großen Kreisverkehre an der Siegessäule, bekanntlich im Volksmund auch “Goldelse” genannt, vorbei. Ich finde es schon erstaunlich, wie schön die Statue im Sonnenlicht glänzt, obwohl sie doch tagein und tagaus der Witterung ausgesetzt ist. Nach ein paar obligatorischen Fotos ging es weiter entlang der Straße des 17. Juni. Von hier aus war mein Ziel, das Brandenburger Tor, bereits zu sehen. Es hat schon was, mit dem Fahrrad einfach geradeaus unter dem Tor durchfahren zu dürfen, während die Autos links oder rechts daran vorbei fahren müssen. Ich also durchgefahren und nach ein paar

Das Brandenburger Tor

Metern angehalten und auch hier die obligatorischen Fotos geschossen.

Da Berlin aber, wie gesagt, nicht Teil meiner Route war, ging es danach sofort weiter am Reichstags- und Bundestagsgebäude entlang. Einmal die Spree überquert und dann immer entlang des Berlin-Spandauer Schifffahrtkanals entlang bis ich wieder die Havel erreicht habe. Etwa 20 Kilometer hat mich dieser Abstecher “gekostet”, aber ich finde, das war es Wert. Nun, wieder auf dem Havel-Radweg, ging es entlang des gleichnamigen Flusses meinem heutigen Etappenziel entgegen. Birkenwerder liegt, gerade wie auch Potsdam, nur ein paar Kilometer außerhalb der Landesgrenze Berlin. Das war keine Absi

Radweg durch den Wald nördlich von Berlin

cht, sondern eher Zufall. Mein Hotel war schnell gefunden und das Zimmer bezogen. Ein eigentlich schönes und vor allem sehr großes Zimmer. Unverständlich für mich, warum es heute immer noch Hotels gibt, die keine verfügbaren Steckdosen im Zimmer haben. So mussten alle Geräte im Bad über Nacht geladen werden.

Abendessen in einer recht unscheinbaren Gaststätte und danach ging es, wie immer, früh ins Bett. Heute waren es 71 Kilometer, morgen sollen es 85 Kilometer werden.

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Nach einer etwas unruhigen Nacht, draußen war direkt der Bahnhof und das Hotel liegt auch

Radwegknotenpunkt

an einer Bundesstraße, ging es nach dem Frühstück weiter entlang der Havel Richtung Norden. Vorbei an Oranienburg und entlang des Lehnitzsee, den die Havel durchfließt, ging es dann über viele Kilometer durch Wald. Erst folgte der Radweg aus Oranienburg heraus der Bundesstraße. Ich hatte mich irgendwie schon darauf eingestellt, diesem Weg zu folgen und habe daher gar nicht mitbekommen, dass ich, lt. GPS, hätte nach links in den Wald abzweigen sollen. Erst einige Kilometer später habe ich gemerkt, dass die Route weg war. Also umgedreht und zurück, bis zum Abzweig. Jetzt ging es auf einem gut befahrbaren Waldweg mitten durch die Natur. Aber es wurde noch besser. Nach zwei, drei Kilometer ging es an einer Kreuzung links weg und dann kam ein “Knotenpunkt” im Radwegenetz Oberhavel. Jetzt folgte ein bestens alsphaltierter Radweg mitten durch den Wald. So ging es über viele Kilometer Richtung Norden.

Radweg im Grünen

Einziger Nachteil: anhalten im Wald war nicht möglich. Man war sofort umgeben von unzähligen Stechmücken, die nur auf frisches Blut gewartet haben. Das war sehr schade, denn zwischendurch gab es auch einige schön angelegte Rastplätze. Aber jeden Anlalteversuch musste ich mit unzähligen Mückenstichen bezahlen. So ging es durch bis Liebenwalde, denn in der Ortschaft war es weitgehend mückenfrei. Nach Liebenwalde verlief der Radweg auf dem Haveldamm weiter. Auch hier viele Kilometer sehr angenehmes Radeln. Rechts immer wieder Hausboote auf der Havel, links Wald – mit den gleichen Problemen an Stechmücken wie vorher.

Aber ich kam gut voran, was auch gut so war, denn das dicke Ende sollte noch kommen. Etwa 8 Kilometer

Fürstenberg an der Havel

vor Fürstenberg/Havel, meinem heutigen Etappenziel, war es vorbei mit jeder Radwegequalität. Ab jetzt glich das ganze einer Mountainbike-Piste und war mit dem schweren Reiserad und dem ganzen Gepäck nur im Schritttempo zu befahren. Es musste hier vor kurzem noch geregnet haben, denn die Wege waren nass und es war unheimlich schwül. Ich war nassgebadet vom Schweiß. Dazu kam, dass ich langsam auch eschöpft war und so auch einige Abschnitte schieben musste. Zum Glück hatte ich vorher einiges an Zeit gut gemacht, denn die verlor ich hier wieder. Dieser schlechte Streckenabschnitt hielt tatsächlich bis direkt an den Ortsrand von Fürstenberg/Havel

Schlechter Radweg vor Fürstenberg/Havel

Schlechter Radweg vor Fürstenberg/Havel

an. Von einem Meter auf den anderen war ich wieder auf besten Straßen mitten im Ort, als wenn nichts gewesen wäre. Ich war sehr froh, meine Pension erreicht zu haben. Abends habe ich auch die nächste Möglichkeit zum Abendessen genutzt, um nicht mehr all zuweit gehen zu müssen. Hatte mein Pensum an Schritten durch die vielen Schiebepassagen sowieso schon hinter mir.

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Auch gestern bin ich wieder früh schlafen gegangen. Aus dem groß angekündigten Gewitter mit viel Regen wurde nur ein kurzer Schauer, dann war der Spuk auch schon wieder vorbei. Geschlafen habe ich gut, aber ich habe schon beim Aufstehen meine Beine gemerkt. Das gestern war doch einen Spur zu viel für meinen untrainierten Zustand. In der Pension gab es

Radweg hinter Fürstenberg

Radweg hinter Fürstenberg

kein Frühstück und so habe ich eine meiner mitgenommenen, vakuumierten Müsli-Mischungen probiert. Nach einer Empfehlung, die ich bei einem anderen Radreisenden gelesen habe, habe ich 150 g Müslimischung mit 33 g Trockenmilchpulver und 2 TL Kaba gemischt und vakuumiert. Die habe ich jetzt mit Wasser in einer Schüssel angerührt und ich muss sagen, gar nicht so schlecht. Klar ersetzt das Milchpulver keine Frischmilch, aber als Notration oder auch beim Wild-Camping eine echte Alternative. An der Pad-Kaffeemaschine in der Küche der Pension wollte ich mir auch einen Kaffee rauslassen, aber irgendwie bin ich für diesen Maschinentyp zu blöde. Bin halt doch der Spezialist für Kapselmaschinen. Jedenfalls ging die Hälfte des Wassers immer daneben. Auch der Versuch mit einem zweiten Kaffeepad ging nicht besser. Immerhin hatte ich dann eine gute halbe Tasse ziemlich starken Kaffee. Nachdem ich die Küche wieder gesäubert habe, habe ich das Rad gepackt und es ging heute schon gegen 08:30 Uhr auf die Strecke.

Volle Schleusen entlang des Weges

Volle Schleusen entlang des Weges

Zum einen, weil es heute mit 89 Kilometern die längste Etappe werden sollte und zum anderen, weil ich eben gemerkt habe, dass meine Beine noch müde von gestern waren. Hatte ich auf ein ebenes dahinrollen gehofft, wurde ich gleich mal enttäuscht. Es gibt im Bereich der Meckelenburger Seenplatte zwar keine Berge, aber die Straßen und Wege verlaufen in einem stetigen auf und ab. Ich dachte mir noch, das kann ja heiter werden. Aber wider Erwarten kam ich doch recht flüssig voran. Klar habe ich bergauf viel geschoben, aber wichtig war mir nur, auch vorwärts zu kommen.

Die heutige Etappe von Fürstenberg/Havel nach Plau am See verlief hauptsächlich westwärts und streifte keine größeren Ortschaften. Maximal kleine Dörfer lagen am Weg. Allerdings viele Camping- und Zeltplätze entlang der vielen Seen. Hinter Fürstenberg hatte ich auch die Havel verlassen und war nun im Müritz-Seen-Park. Ursprünglich wollte ich nach Waren an der Müritz,

Windpark entlang der Strecke

Windpark entlang der Strecke

weil ich dort vor vielen Jahren mal ein Hausboot gechartert hatte. Allerdings habe ich dort keine bezahlbare Unterkunft gefunden, so dass ich mich stattdessen für Plau am gleichnamigen See entschieden habe. Da es hier keinen Fernradweg gibt, folgte die Strecke meist kleinen Land- und Kreisstraßen – mit mehr oder weniger Verkehr. Aber das ist bei Querverbindungen so üblich. Nachdem ich unterhalb der Müritz vorbei war, sollte ich in der Nähe von Röbel auf den Mecklenburgischen Seen-Radweg treffen, der mich bis Plau am See bringen sollte.

Hat auch soweit funktioniert. Nur dass dieser Radweg ca. 20 Kilometer vor dem Ziel in eine ähnlich schlechte Mountainbike-Piste führte, wie gestern vor Fürstenberg. Im Gegensatz zu

Auch eine Art "Radweg"

Auch eine Art “Radweg”

gestern war es aber angenschrieben: Der nun folgende Abschnitt ist von sehr schlechter Wegequalität. Aber die Alternative wäre die viel befahrene Bundesstraße ohne Radstreifen gewesen. Also habe ich mich in mein Schicksal gefügt und bin die Piste entlang. Wie gestern musste ich viel dabei schieben, weil die Wegequalität zu schlecht und/oder meine Kondition schon viel zu verbraucht war. Ich hatte mir schon überlegt, ab wann ich wohl ein Taxi rufen muss, aber immer wieder zwischendurch wurde der Weg wieder besser. Als ich endlich den Plauer See erreicht hatte ging es nochmal für sechs oder sieben Kilometer auf einer Mountainbike ähnlichen Piste durch den Wald. Aber ich war irgendwie eh schon in dem Trott drin: bergauf geschoben und bergab oder eben im Schritttempo gefahren.

Wie gestern auch endete die Piste von einem Meter auf den anderen und ich befand mich auf den bestens gepflegten, parkähnlichen Wegen im Einzugsgebiet von Plau. Mein Hotel in Plau am See liegt auf dem einzigen Hügel in der Umgebung. Nachdem ich den noch hochgeschoben habe, war ich endlich für heute am Ziel. Auch hier war keine wirklich günstige Unterkunft mehr zu finden und so habe ich in einem 4-Sterne-Hotel eingecheckt. War die Corona-Inzidenz an meinen bisherigen Übernachtungsorten sehr gering, ist sie in Plau am See so hoch, dass hier die Corona Infektionsgefahr Stufe 3 gilt. So musste ich erstmals auf der Tour meinen Impfnachweis vorzeigen. Auch im Restaurant beim Abendessen und Frühstück geht es streng zu. Alles ist in Schichten eingeteilt und man darf nur zu den Zeiten kommen, zu denen man sich angemeldet hatte.

Immerhin ist die Küche im Hotel ausgezeichnet und so konnte ich nach einer ausgiebigen Dusche ein wirklich vorzügliches Abendessen genießen, das ich zur Feier der überstandenen Strapazen der letzten Tage mit einem großen Eisbecher gebührend abgeschlossen habe. Mein Zimmer liegt unter dem Dach und verfügt, trotz vier Sterne, leider über keine Klimaanlage. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was hier für Temperaturen herrschen würden, wenn es ein “richtiger” Sommer mit über 30 Grad wäre. Auch so ist es warm genug im Zimmer und ich bin in der Nacht oft aufgwacht, weil mir so heiß war.

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Heute, Sonntag ist nun wieder ein Ruhetag. Nach der obligatorischen “großen Wäsche”, habe ich den Blog nachgeholt. Während dieser Zeit hat es draußen schon zweimal geregnet. Vermutlich werde ich heute also nicht mehr viel mehr tun, als die Beine hoch zu legen und mich zu erholen. Morgen geht es dann weiter nach Schwerin.

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Ich bin am Sonntag-Nachmittag dann doch nochmal raus und habe einen Rundgang nach und durch Plau am See unternommen. Ist ein schönes, kleines Städchen, das wohl von viel Tourismus lebt. Ist ja auch nachvollziehbar, denn es liegt an einem der großen Seen der Mecklenburger Seenplatte. Als solches hat es dort auch einen Sportboothafen, der vor allem im Sommer entsprechend durch die vielen Hausboote frequentiert ist. Als ein solcher Hausboot-Kapitän war ich vor vielen Jahren eben auch schonmal in Plau.

An der kleinen Schleuse zur Elde herrschte teilweise Hochbetrieb und es macht immer wieder viel Spaß, den vielen Hobby-Kapitänen bei der Arbeit in einer Schleuse zuzuschauen. Etwas weiter Richtung See gibt es eine altertümliche Hubbrücke, die mit lautem Bimmeln nach oben fährt, wenn ein Schiff kommt, das unten so nicht durch passt.

Am Abend bin ich wieder im hoteleigenen Restaurant Essen gegangen. Diesmal mit spürbarem Unterschied. Heute hatte ich mich für das Halppensions-Menü entschieden, das für 27,– € zum Zimmer zugebucht werden kann. Die Portion war deutlich kleiner als die gestern. Da hat allerdings auch schon der Hauptgang so viel gekostet, wie heute das ganze Menü. Satt bin ich trotzdem geworden, hatte heute ja auch nicht viel unternommen.

Montag bin ich wieder früh aufgestanden, hatte mich ja für die erste Frühstücks-Schicht um 07:00 Uhr angemeldet. Nach ausgiebigem Frühstück habe ich meine sieben Sachen in aller Ruhe zusammengepackt und bin so gegen 08:45 Uhr in Plau am See abgefahren. Als die Häuser der Ortschaft zurückblieben habe ich sofort gemerkt, heute wird ein besonders herausfordernder Tag. Der Wind blies mir stramm entgegen. Windstärke 3 – 4 und in Böen entsprechend bei 5 – 6. Er kam aus Ost-Südost und ich musste nach Westen und etwas nach Norden. Es ging wieder überwiegend auf Nebenstraßen dahin, Radwege waren Mangelware.

Nach den ersten 20 Kilometern gingen die Überlegungen los, ob ich das überhaupt schaffen kann. Kurz geprüft, in Parchim, nochmal 15 Kilometer weiter, gibt es einen Bahnhof und mit einmal Umsteigen würde mich der Zug nach Schwerin bringen. Zum Zeitpunkt der Recherche war ich fest davon überzeugt, auf die Abkürzung mit dem Zug setzen zu müssen. Im weiteren Streckenverlauf führte die Route aber immer wieder auch durch mit Büschen gesäumte Aleen oder mitten durch den Wald. Entsprechend weniger stark ist der Wind dort spürbar. Am Ortsanfang von Parchim musste ich dann die Entscheidung treffen. Und, da es die letzten Kilometer ziemlich gut lief und ich wusste, dass es irgendwann vor Schwerin auch mal direkt nordwärts gehen wird und ich dabei fast schon Rückenwind haben werde, habe ich mich gegen den Zug entschieden.

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich diese Entscheidung einige Male unterwegs bitter bereut habe. Nämlich immer dann, wenn der Wind so stark wurde, dass ich Gang für Gang herunterschalten musste und irgendwann, trotz strammen Tretens, nur noch knappe 10 km/h erreicht habe. Einig war ich dagegen mit meiner Entscheidung, wenn es mitten durch den Wald direkt an der Elde entlang ging und ich mit dem Rad schneller als der Schiffsverkehr war.

Unterwegs hat mich auch noch eine Regenfront eingeholt. Bequem wie ich war, habe ich die aber “ausgesessen”. Gerade als der Regen los ging, kam ein Tisch mit einer Bank davor. Ich habe das Fahrrad regenfest gemacht und mir nur die Regenjacke angezogen. Dann habe ich mich auf die Bank gesetzt, Beine unter dem Tisch – und den Regen über mich ergehen lassen. Besonders stark hat es eh nicht geregnet und nach 45 Minuten war der ganze Spuk vorbei und ich bin wieder ohne Jacke weiter gefahren. Natürlich habe ich so nach 60 – 65 Kilometern die Anstrengung gemerkt und meine Beine wurden immer müder. Es half aber alles nichts, die insgesamt 86 Kilometer mussten bewältigt werden. Zum Glück blieb mir das Mountainbike-Feeling der letzten beiden Tourtage erspart. Trotzdem war meine geplante Strecke ca. 10 Kilometer vor Schwerin gesperrt und ich musste eine Umleitungsstrecke fahren. Da ging es erstmal einen Kilometer ordentlich bergauf. Das Gute daran ist, was hoch geht, geht auch irgendwann mal runter. Und so konnte ich dann eine schöne Abfahrt runter nach Schwerin genießen.

Der erste Blick auf das Schweringer Schloss ist schon beeindruckend. Am gepflegten Zustand merkt man dann doch, dass hier der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern seinen Sitz hat und das lassen sie sich nicht lumpen. Mein Hotel liegt mitten in der Innenstadt von Schwerin, also äußerst zentrumsnah. War es früher immer schwierig, noch einen Parkplatz für’s Auto zu bekommen, wenn man nicht schon um 15:00 Uhr vor Ort war, so war es jetzt sehr problematisch noch ein trockenes Plätzchen für mein Fahrrad zu bekommen. Man merkt den Corona-Fahrrad-Boom.

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Am Abend bin ich in die Altstadt zu einem Italiener gegangen und habe dort Salat und Pizza genossen. Danach hatte ich etwas Sorge, da die zentrale Lage des Hotels den Nachteil hat, ganz in der Nähe des Doms zu sein. Und ich wusste nicht, wie sich das mit dessen Kirchturmglocken verhält. Aber umsonst gesorgt, die Kirchenglocken waren jedenfalls leiser als die vielen Seevögel, die Schwerin bevölkern. Nichts destotrotz habe ich hervorragend geschlafen. Musste wieder relativ früh aufstehen, denn der Frühstücks-Slot von 07:00 – 08:00 Uhr ist immer der mit den meisten freien Plätzen.

Nach dem Frühstück habe ich erstmal getrödelt, denn das Wetter war heute nicht so besonders gut. Der Blick aus dem Fenster hat gezeigt, dass es gerade regnet. Gegen 10:00 Uhr habe ich dann mein Zimmer verlassen und bin einfach ziellos durch die Altstadt von Schwerin geschlendert. Vorbei an Dom und Pfaffenweiher, dann zurück zum Rathaus und weiter zur Marstall-Halbinsel. Dort hat mich wieder der Regen eingeholt. Bin trotzdem noch weiter auf die Schlossinsel und habe natürlich das Schloss durch den Schlossgarten einmal umrundet. Es war trotz Regen und relativ hoher Corona-Inzidenz erstaunlich viel los in Schwerin und eben auch rund um das Schloss. Da der Regen aber immer stärker wurde, habe ich mich langsam wieder auf den Rückweg ins Hotel gemacht. Der Rest des Tages verging mit Relaxen und Lesen. Morgen soll es zum einen wieder trockenes und schönes Wetter sein. Zum anderen aber auch fast 20 Kilometer weniger Strecke bis an die Elbe bei Boizenburg. Das ist gut so, denn ich werde wieder mit starkem Gegenwind zu kämpfen haben. Der soll erst übermorgen wieder zurückgehen. Immerhin erreichen die Temperaturen wieder die 20-Grad-Marke, heute war es mit nur 15 – 17 Grad schon ziemlich kühl für August. Aber eigentlich kann ich mich, was das Radfahren angeht, nicht über das Wetter beklagen. Bei rund 20 Grad ist es angenehmer zu Radeln, als bei 30 Grad oder mehr. Aber für alle, die lieber gerne im Freibad liegen würden, ist das eher ein unterkühltes Unterfangen.

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Nachdem der Rest des gestrigen Tags und Abends komplett verregnet war, war ich froh über die Wettervorhersage für heute – es soll trocken sein und wieder schön werden. Beim Aufstehen war davon noch nicht viel zu sehen, waren doch die Straßen noch feucht und der Dom verschwand fast schon im Nebel. Nach Frühstück und zusammenpacken hieß es, erstmal wieder das eigene Fahrrad zu finden. Wobei das gar nicht so schwer ist – war es doch das einzige Nicht-E-Bike :-). Gepäck ran gehängt und los ging es durch die Altstadt von Schwerin. Wie hatte ich gestern gesagt? Wo es hoch geht, geht es irgendwann auch wieder runter. Gilt aber auch umgekehrt, wo es runter geht, geht es später wieder hoch. Und so startete die Tour gleich mal mit ordentlich bergauf. Das zog sich auch einige Zeit so hin, bis ich Schwerin und seine Vororte hinter mir hatte, dann wechselte das übliche auf und ab sich ab.

Aber trotz ständigem auf und ab begleitete mich an diesem Vormittag noch ein anderes Gefühl, mir war kalt. Nur weigerte ich mich, mir eine Jacke anzuziehen und habe erstmal alle Knöpfe am Polo-Shirt zugemacht. Das hat jetzt zwar nicht so viel gebracht, aber ich rettete mich damit bis es ganz langsam wärmer wurde. Meine Fuhre knarrt inzwischen ziemlich heftig und hört sich weniger wie ein Hightech-Fahrrad an, sondern vielmehr wie ein altersschwacher, völlig verrammelter Drahtesel. Die Qualität der Straßen und Wege setzt dem Fahrrad sichtlich zu. Natürlich habe ich immer wieder die tollen Radwege, Bahnradwege, etc. gelobt. Das ist aber nur eine Minderheit. Meistens geht es über ganz schlechte Land- und Kreisstraßen und die Rad- und Gehwege haben einen Frostaufbruch am anderen. Man kommt sich vor wie auf Buckelpisten. Wenn ich wieder zu Hause bin, muss ich erstmal alle Schrauben am Rad nachziehen. Jetzt hat es den Vorteil, dass man mich schon von weitem kommen hört.

Jedenfalls ging es auch heute wieder auf ähnlichen Straßen voran. Teilweise waren die Verbindungsstraßen zwischen Ortschaften nicht mal asphaltiert, sondern waren naturbelassen mit riesigen Schlaglöchern und Pfützen. Vorankommen geht hier nur im Schritttempo. Umso froher war ich dann wieder über schlechte Teerqualität. Sonst gibt es über die Route nicht viel zu berichten. Es war wieder kein spezieller Radweg, sondern eine Verbindung radfahrgeeigneter Straßen – meist kleinere Land- und Kreisstraßen, die mich südwestlich Richtung Elbe brachte. Obwohl die Etappe nur 68 km lang war, hatte ich zwischendurch ein echtes Energietief bei dem ich schon in der Ebene absteigen und schieben wollte. Zum Glück hatte ich noch von zu Hause einige Tüten mit Studentenfutter abgepackt. Die, in Verbindung mit einer halben Flasche Wasser, haben mir über den Berg geholfen und so ging es dann weiter nach Boizenburg an der Elbe. Hier hatte ich im Hotel Stadt Boizenburg ein schönes Zimmer mit Blick auf den Hafen. Am Abend bin ich zum benachbarten Griechen zum Essen gegangen. Man kann sagen, was man möchte, aber an Fleisch mangelte es auf diesen Tellern nicht. So, schon fast übersättigt, ging es ins Bett.

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Am nächsten Morgen schien schon früh die Sonne und es war deutlich wärmer als noch gestern in Schwerin. Die Knöpfe am Polo gingen wieder auf und ich war schon vor 09:00 Uhr auf dem Elbe-Radweg. Mit 89 Kilometern sollte es heute eine der längsten Etappen dieser Tour werden. Vor allem in den ersten beiden Stunden lief es auch recht gut, war doch die Temperatur noch sehr angenehm. Der Elbe-Radweg ist zwar nicht ganz mit Donau- oder Rhein-Radweg zu vergleichen, aber in dem Bereich ab Boizenburg verlief er auf dem Damm und war in gutem Zustand. Heute war jedoch der Wind mein Gegner. Auf dem Damm gibt es keine abschirmenden Bäume oder Sträucher und so blies der Wind den ganzen Tag ungehindert aus Süd-Ost. Und was war meine Fahrtrichtung? Richtig, Süd-Ost.

Und, hatte ich gestern noch gefroren, war heute das Gegenteil der Fall, es wurde heiß. Nichts besonderes, aber einfach ungewohnt in diesem Sommer. Seit ich seit Anfang August unterwegs bin, hatte ich meist so um die 20 Grad. Heute ging es in Richtung der 30 Grad. Und mir wurde gegen Mittag das Wasser knapp. Es gibt zwar eigentlich entlang des Radwegs keine Ortschaften mit Geschäften, dafür immer wieder kleine Garten-Cafes, nur hatten die alle geschlossen. Die Corona-Auflagen sind für solche kleinen Betriebe wohl zu hoch. Erst 20 km vor dem Ziel bin ich endlich an einem privaten Garten vorbei gekommen, die ein Schild draußen stehen hatten, es wäre geöffnet und es gäbe Kaffee, Kuchen und kalte Getränke. Eine Ausschankkonzession hatten die sicher nicht, geschweige denn eine Registrierung per Luca-App. Aber das war mir sowas von egal :-). Als erstes habe ich meine beiden Wasserflaschen wieder mit kaltem Wasser füllen lassen. Dann gabe es noch eine kleine Flasche Spezi, eine kleine Flasche Mineralwasser und ein Eis, halt alles was der Kühlschrank hergab.

Nachdem ich das verdaut hatte, hatte ich wieder genügend Power, um den Rest der Strecke in Angriff zu nehmen. Unterwegs kam ich an einem kleinen Hinweis vorbei, die Fähre nach Schneckenburg wäre außer Betrieb. Das muss ich mir noch genauer ansehen, denn irgendwann muss ich wieder auf die andere Elbseite wechseln. Bis Gartow am gleichnamigen See war das aber nicht der Fall. Interessant ist, dass ich mich, spätestens wenn ich davor stehe, immer daran erinnern kann, wenn ich schonmal wo war. Und ich habe schonmal 2015 in Gartow im Hotel Seeblick übernachtet. Allerdings kommt mir überhaupt nichts im Hotel bekannt vor.

Leider ist der Ort ziemlich klein und verfügt nicht über viele Restaurants. Zu allem Übel haben die Restaurants auf meiner Seeseite am Donnerstag alle Ruhetag. Auf der anderen Seeseite, ca. 1,5 km entfernt, würde es eine Pizzeria geben. Okay, als ich auf dem Zimmer war, habe ich dort angerufen und wollte einen Tisch reservieren. Pech gehabt, alles voll. Auf Grund von Corona, gibt es nur zwei Schichten und die sind komplett ausgebucht. Jetzt war guter Rat teuer. Ganz am Ortsanfang war ein Parkplatz für Wohnmobile. Dort war ein Strandkiosk angeschrieben. Die Recherche ergab, dass der nur am Donnerstag, wohl aus gutem Grund, bis 20:30 Uhr geöffnet hat. Also geduscht und auf den Weg gemacht. Natürlich war auch der Kiosk überlaufen und an einen Sitzplatz war nicht zu denken. Aber es gab eine Riesen-Currywurst dänische Art mit Pommes auf die Hand. So Fastfood-gestärkt bin ich auf dem Rückweg noch im Supermarkt vorbei und habe mir neben Mineralwasser und Müsliriegel noch ein paar Kekse und nochmal ein großes Eis gegönnt.

Die Nacht im Hotel Seeblick war super erholsam, denn nicht nur das Hotel heißt so, auch mein Zimmer hat es: Seeblick. Die Balkontüren sind vorbildlich mit einer Fliegengittertür versehen, so dass die Nacht angenehme Kühle ins Zimmer gebracht hat. Ist schon ein Witz, vor zwei Tagen war es so kühl, dass ich eigentlich eine Jacke gebraucht hätte und jetzt ist es wieder so heiß, dass man froh ist, bei Nacht die Balkontür auflassen zu können.

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Heute ist Freitag und nochmal ein, diesmal echter, Ruhetag. Trotzdem es hier kein Kulturprogramm gibt, dass ich mir anschauen muss, heißt es nach dem Frühstück wie immer Wäsche waschen. Da mein Zimmer einen Balkon hat, ist das Trocknen über Tag auch schon geregelt. Dann habe ich mich an den Hinweis mit der Elbfähre nach Schnackenburg erinnert und im Internet recherchiert. Tatsächlich, die Fähre fährt wegen eines technischen Defekts bis auf weiteres nicht. Also die Karte zu Rate gezogen und eine Alternative geplant. Jetzt geht es erst bei Havelberg mit der Fähre auf die andere Elbseite. Die soll lt. Internet auf jeden Fall fahren. Das Gute daran ist, dass durch das Umplanen die Strecke um knapp 10 km kürzer geworden ist. Darüber bin ich gar nicht traurig, denn der Gegenwind soll mir die nächsten Tage erhalten bleiben. So erwarten mich morgen 79 statt 87 Kilometer.

Nun bin ich raus aus dem Hotel und erstmal auf die Suche nach einem Geldautomaten gegangen. Nachdem das erledigt war, bin ich am See entlang geschlendert, bis ich ein Bänkchen im Schatten gefunden habe. Dort habe ich mich hingesetzt und in den Tag geträumt. Als die Sonne soweit gewandert war, dass die Bank nicht mehr im Schatten lag, bin ich weiter um den See geschlendert. Immer mal wieder, wenn ich eine schattige Bank gefunden habe, habe ich ein Päuschen gemacht, ich habe ja Ruhetag :-). Auf jeden Fall kann man so den Tag, zumindest einen Teil davon, auch gut rum bringen.

Inzwischen bin ich wieder im Hotel und schreibe diese Zeilen hier. Und, ganz wichtig, heute konnte ich einen Tisch im Restaurant nebenan ergattern. Nicht dass ich wieder zum Imbiss muss. Morgen folgen vier Radtage am Stück immer der Elbe entlang, dann bin ich auch schon in Wittenberg, der letzten Station auf dieser Radreise.

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Nach einem geglückten Abendessen und einer weiteren erholsamen Nacht bin ich am nächsten Morgen gegen 09:00 Uhr los gekommen. Gartow liegt ja ein ganzes Stück von der Elbe weg und so ging es erstmal entlang von Landstraßen vorwärts. Im Nachhinein betrachtet war es ein Glück, dass die Fähre Schnackenburg außer Betrieb war, denn diese Seite der Elbe war eindeutig schöner zu fahren. 

Nachdem ich die Landstraßen hinter mir gelassen hatte und wieder auf dem Elbradweg unterwegs war, verlief der Radweg über viele Kilometer auf oder neben den Elbdämmen. Und ich hatte mich offensichtlich in der Windrichtung getäuscht. Der Wind kam aus Süd-Südwest und der größte Teil der Etappe verlief bis Havelberg ostwärts. Daher hatte ich viel Windunterstützung und kam sehr gut voran. Das war auch ganz gut so, denn es wurde ein sehr heißer Tag. Sollte ursprünglich lt. Wetterbericht überhaupt keine Sonne scheinen, war das Gegenteil der Fall. Sie schien den ganzen Tag fast ungehindert vom blauen Himmel und entsprechend warm war es beim Radeln. 

Dass gleich zwei Hansestädte auf meinem Weg liegen würden, das war mir vorher nicht bekannt. Erst glaubte ich an einen Scherz, als irgendwann Hansestadt Werben (Elbe) angeschrieben stand, aber es lässt sich im Internet nachlesen, dass dies tatsächlich eine Hansestadt ist. Als ich sie erreicht hatte, war es erstmal Zeit für eine längere Pause, die ich im Schatten auf einer Bank verbrachte. Wie stark der Wind aus für mich bisher günstiger Richtung tatsächlich geblasen hat, habe ich hier gemerkt. Ich musste die ganze Zeit auf mein Rad aufpassen, dass das nicht umgeweht wird. 

Also bin ich dann auch weiter gefahren Richtung Räbel. Hier hatte ich eine Punktlandung zur Elbfähre, denn ich konnte sofort auf die wartende Fähre auffahren und war noch nicht richtig abgestiegen, da fuhr sie auch schon los. Ich hatte solche “Gierfähren” schon öfter gesehen, jetzt war aber das erste Mal, dass ich mit einer unterwegs war. Das Prinzip ist schon interessant. Die Fähre hängt an einem ewig langen Stahlseil, das mitten in der Elbe verankert ist. Beim Ablegen verändert der Fährmann nur per Seilwinde den Winkel, wie die Fähre zur Fliesrichtung steht und alles andere macht die Strömung. Ich dachte, der Fährmann muss jetzt die ganze Zeit am Seil hin und her hantieren, aber nichts da. Während er bei den Passagieren in aller Ruhe abkassiert hat, trug die Strömung und der eingestellte Winkel der Fähre diese ebenfalls in aller Ruhe auf die andere Elbseite. Und zwar ohne jede Korrektur oder Eingreifen des Fährmanns. 

Drüben angekommen ging es nach kurzer Fahrt in die nächste Hansestadt hinein, Hansestadt Havelberg. Hier, bzw. ein paar Kilometer weiter flussabwärts mündet die Havel in die Elbe. Nach kurzem Fotostopp ging es auf die letzten 29 Kilometer. Aber die hatten es in sich. Denn jetzt wechselte die Fahrtrichtung von weitestgehend Ost auf komplett Süd und ich bekam den starken Wind voll von vorne. Ich war schon sehr froh, bisher so gut voran gekommen zu sein, denn jetzt wurden die Gänge immer kleiner und damit die Geschwindigkeit immer geringer. Dankbar war ich für jeden Baum entlang des Weges, denn dann ließ der Wind immer spürbar nach. 

In Scharlibbe, dem letzten Örtchen vor meinem heutigen Ziel Klietz, fuhren aus einer Seitenstraße lauter hupende Autos auf die Hauptstraße. Aha, eine Hochzeitsgesellschaft nach der Trauung auf dem Weg zu den weiteren Feierlichkeiten. Ich hatte dazu wenig Nerv, Kopf gesenkt und weiter Meter für Meter erkämpft. Ich war sehr froh, als ich in Klietz im Landgut-Hotel Seebklick angekommen bin. Warum das Seeblick heißt, habe ich nicht gesehen. Erst der Blick auf die Landkarte zeigt, dass es in Klietz tatsächlich auch einen See gibt, den man offensichtlich von irgendwo vom Hotel aus sehen kann. Von meinem Zimmer jedoch nicht. 

Mit gemischten Geführen habe ich bemerkt, dass die Hochzeitsgesellschaft ausgerechnet dieses Hotel-Restaurant für seine Feier auserkoren hat. In der Regel bedeutet das, dass die halbe Nacht nicht an Schlaf zu denken ist, da man die Musik durchs ganze Haus hört. Aber wie sie es hier auch gemacht haben, weder während des Abendessen auf der Terasse des Hotels noch auf dem Zimmer war von der Hochzeit etwas zu hören. Mir war’s nur Recht, denn ich habe ja schon mehrfach betont, abends doch immer rechtschaffen müde zu sein und früh ins Bett zu gehen. 

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Das hat auch in Klietz hervorragend geklappt. Wie gesagt, von der Hochzeit war in meinem Zimmer nichts zu hören und so konnte ich bei weit geöffnetem Fenster sehr gut schlafen – nachdem die Hitze aus dem Zimmer vertrieben war. Am nächsten Morgen gab es Frühstück erst ab 08:00 Uhr. Dadurch bin ich auch erst nach 09:00 Uhr weg gekommen, denn es dauert schon immer noch seine Zeit, bis alles zusammengepackt ist und ich präpariert bin. 

Heute hatte ich mich in der Windrichtung leider nicht geirrt, heute hatte ich den Wind die ganze Zeit gegen mich. Die Etappe war mit genau 70 km zwar nicht übermäßig lang, aber durch den Wind hat es sich ewig gezogen. Auch heute verlief die Route über viele, viele Kilometer auf den Elbdämmen entlang. Und das ist extrem zäh, denn hier wächst kein Baum und kein Strauch. So bläst der Wind den ganzen Tag ungehindert von vorne entgegen. 

Damit waren heute den ganzen Tag die kleinen Gänge mein Freund. Vorbei ging es an so klingenden Namen wie Tangermünde oder Jerichow. Und irgendwann war mein Etappenziel Burg bei Magdeburg angeschrieben. Sogar 10 km kürzer als das Navi als Restreichweite angezeigt hat. Aber ich weiß nicht, irgendwo oder irgendwie scheine ich einen Wegweiser übersehen zu haben. Denn statt endlich erlösend Richtung Osten abzubiegen ging es Kilometer für Kilometer weiter nach Süden. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin einfach frei Schnauze ostwärts vom Elbedamm abgebogen. Und siehe da, nach einigen Kilometern landeinwärts kam ein Schild, Burg noch 5 Kilometer. Mann, was war ich froh, für heute aus dem Wind zu sein.

Nachdem ich mein Hotelzimmer bezogen hatte, ging die Suche nach einem Restaurant los. Die Empfehlungen der Rezeptionistin erwiesen sich allesamt als Flop. Entweder hatten sie am heutigen Sonntag Ruhetag oder sie haben gerade Betriebsurlaub. Nachdem ich mehrere Kilometer vergeblich durch Burg gelaufen bin, habe ich endlich einen Döner-Laden gefunden, der offen hatte. Nicht lange gefackelt und einen Döner-Teller XXL bestellt. Auf jeden Fall war ich hinterher gut satt. Da es in meinem Hotel leider nichts zu trinken gab und die nächste Tankstelle nochmal zwei Kilometer zu laufen gewesen wäre, gab es heute Abend dann nur Leitungswasser. 

Nun bin ich gespannt, was der Tag morgen wetter- und windmäßig bringt. Lt. Wetterbericht schlägt das Wetter um und ab morgen Mittag muss ich mit Regen rechnen. Auch übermorgen soll es wohl den ganzen Tag regnen. Muss mich also auf nasse Tage einstellen. Vielleicht schläft dann der Wind wenigstens ein oder, noch besser, bläst von hinten.

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Wow, das waren zwei Tage, die es in sich hatten. Die Nacht von Sonntag auf Montag war sehr warm. Ich habe ziemlich geschwitzt in meinem Zimmer, was aber evtl. auch am XXL-Döner-Teller gelegen haben kann. Montag Morgen war das Wetter bestens und die Sonne strahlte vom blauen Himmel. Aber schon beim abfahren vom Hof des Hotels habe ich gemerkt, dass ein ganz schöner Wind ging. Und je weiter ich aus Burg raus kam, umso stärker wurde der Wind. Wieder einmal habe ich mich gewundert, wie oft ich doch westwärts unterwegs war, obwohl die Elbe flußaufwärts doch eigentlich stets ostwärts gehen sollte. 

Aber ich war ja durch den Abstecher nach Burg ein ganzes Stück nördlich der Elbe. So ging es zuerst direkt am Elbe-Havel-Kanal entlang. Eigentlich richtig schön und genau mein Ding. Wenn denn der Wind nicht mit Windstärke 4 kontinuierlich mir entgegen geblasen hätte. Dafür zog die Landschaft nur langsam an mir vorbei, denn ich bewegte mich wieder in den unteren Gängen. Ich war doch ziemlich neidisch auf die, die mir lächelnd und mit viel Rückenwind entgegen kamen. 

Dafür zeigte sich schon aus der Ferne, dass da auf der Wasserstraße was mächtiges kommen muss. Die Schleuse Hohenwarthe kündigte sich an. Ich fahre ja gerne und viel an Flüssen und Kanälen entlang und Schleusen sind mir nicht fremd. Aber eine solch mächtige Schleuse, was die Höhe angeht, habe ich noch nie gesehen. Dagegen wirken die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals geradezu klein. Entsprechend steil ging es jetzt erstmal bergauf, kurz aber knackig. Oben angekommen wurde mir das ganze Ausmaß der Schleusen erst bewusst. Auf meiner Seite war das Wasser abgelassen, quasi auf Niveau des Elbe-Havel-Kanals. Es gelang mir aber nur mit größter Mühe, auf den Wasserspiegel hinab zu schauen, so tief lag der. Lt. Beschreibung werden die Schiffe hier um ganze 18 Meter angehoben, bzw. abgelassen. Für mich als Fan solcher Anlagen, sehr beeindruckend. 

Leider war gerade kein Schiff in Sicht, also bin ich noch ein Stück am Kanal weitergefahren. Nach wenigen Kilometern bin ich dann an das Wasserstraßenkreuz Magdeburg gekommen. Hier führt der Elbe-Havel-Kanal in einer riesigen Brücke, genannt Trogbrücke, über die Elbe drüber. Mit Fahrrad oder als Fußgänger kann man diese Trogbrücke überqueren. Da aber der Wind auf der Brücke mit noch viel mehr Druck blies und dies auch nicht meine Richtung war, habe ich nur am Anfang ein paar Bilder gemacht und bin dann weiter der Elbe entlang Richtung Magedeburg gefahren. Übrigens, nach der Trogbrücke kommt wieder eine Schleusenanlage und danach wird aus dem Elbe-Havel-Kanal der Mittellandkanal, der bis rüber zum Dortmund-Ems-Kanal fließt.

Ich bin jetzt aber wieder weiter der Elbe flußaufwärts gefolgt. Der Radweg verläuft nicht gerade, sondern im Zick-Zack, wodurch immer wieder starke Gegenwindanteile spürbar waren. Inzwischen hatte ich auch festgestellt, dass für den ganzen nördlichen Bereich Sturmwarnung in Böen bis Windstärke 9 galt. Windrichtung überwiegend aus Süd bis Süd-West. Okay, das erklärt zumindest die Heftigkeit des ganzen. Bis Magdeburg ging es dann noch entsprechend anstrengend vorwärts. Danach aber war die vorwiegende Fahrtrichtung Osten und der Wind blies entsprechend von hinten – also Rückenwind. Gleichzeitig verschlechterte sich das Wetter aber auch rapide. Die Sonne verschwand komplett und die Wolken wurden immer dunkler. Aber es war und blieb vorerst trocken. 

Nach dem Flop mit dem Abendessen am Vortag hatte ich morgens die Unterkunft von heute angeschrieben und gefragt, ob es denn ein Abendessen geben würde. Immerhin ist Walternieburg, das Etappenziel von heute, ein eher sehr kleiner Ort. Antwort: heute ist leider Ruhetag. Die nächste Gaststätte liegt 2 Kilometer Richtung Elbfähre, ob die aber auf hat, wisse man auch nicht. Ich habe dann die Tour etwas umgeplant und bin in Schönebeck an der Elbe in einen Supermarkt gegangen und habe mich dort mit Wurst, Käse und Brot für den Abend eingedeckt. Ein Anruf bei der Elbfähre Barby ergab, dass die Fähre in Betrieb war. So bin ich auf der linken Elbseite geblieben und weiter Richtung Barby gefahren. Kurz hinter Schönebeck folgte ein Traumstück. Es ging auf dem Elbedamm für einige Kilometer genau nach Osten. Der Wind schob mich mächtig und ich bin mit über 30 km/h schon fast entlang geflogen. In Glinde war damit aber leider Schluss und ich musste wieder mit Wind von schräg vorne kämpfen. Für mich war das alles nicht so schlimm, ich hatte nur noch 15 Kilometer vor mir. Aber die, die mir entgegen kamen und nach Magdeburg wollten, die taten mir echt leid. In Pömmelte wechselte die Fahrtrichtung wieder Südostwärts und damit hatte ich auch wieder leichte Windunterstützung. 

In Barby angekommen musste ich einmal durch den ganzen Ort immer dem Schild “Gierfähre” nach. In der Ortschaft ist der Wind durch die vielen Häuser eh nur gering spürbar. Danach ging es noch einen Kilometer runter bis zur Elbe und quasi direkt wieder auf die Fähre. Komisch, die Fähre war so gelegen, dass hier fast kein Wind spürbar war. Wie immer fand ich es faszinierend, wie die Fähre ohne jeden Antrieb, nur durch Seilstellung, von einer Seite der Elbe auf die andere wechselte. Nun hatte ich noch zwei Kilometer bis zum Ziel in Walternieburg. Das Zimmer stellte sich als zweistöckiges Appartement heraus. Oben ein großes Schlafzimmer und unten der Wohnbereich. Sehr stimmig eingerichtet mit uralten Möbeln aus Oma’s Zeiten.

Nachdem es schon nichts zu Essen gab, konnte ich dem Wirt aber wenigstens zwei Flaschen Mineralwasser und eine Flasche Apfelsaft, sowie ein Glas abschwatzen. Damit stand einer gemütlichen Brotzeit in meinem “Loft” nichts mehr entgegen. Inzwischen hatte es auch zu regnen begonnen und ich war froh, mich für die Brotzeit entschieden zu haben und nicht mühsam durch Sturm und Regen eine Gaststätte aufsuchen zu müssen. 

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Die Überprüfung des Wetterberichts ergab, dass der Sturm noch heftiger werden sollte und die Windrichtung von Süd-West auf West drehen würde. Daher wollte ich so früh wie möglich los, um auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu sein. Beim Frühstück war ich der erste und bei der Abfahrt war von den anderen auch noch lange nichts zu sehen. Mein großes Glück war, dass es heute tatsächlich im großen und ganzen nur ostwärts gehen sollte und damit den Wind meistens im Rücken haben würde. Es war zwar stark bewölkt, aber von oben trocken. Allerdings war es mit 12 – 13 Grad ziemlich kühl und ich bin das erste Mal auf dieser Tour in Jacke gefahren. 

Sehr interessant war, dass die ganze E-Bike-Fraktion heute wohl geschlossen zu Hause blieb. Ich habe fast ausschließlich Tourenradler getroffen, die ohne Elektroantrieb unterwegs waren. Und nicht wenige davon kamen mir entgegen, mussten also gegen den Wind ankämpfen. Sehr erstaunlich, denn sonst überwiegen auch auf dem Elbe-Radweg die Elektro-Radler. Ich für meinen Teil war auf jeden Fall froh, den Wind meist nur von hinten zu haben und die wenigen Abschnitte mit Gegenwind haben mir absolut gereicht. 

Der Radweg verlief oft mitten durch den Wald und die Geräusche, die es gab, wenn der Sturm durch die Bäume fegte, waren teilweise recht unheimlich. Es war aber nie die Gefahr von Ast- oder Baumbruch. Die Äste waren wohl alle schon abgefallen, denn immer wieder gab es entsprechende Hindernisse auf dem Radweg, die um- oder überfahren werden konnten. Ich kam weitaus besser und schneller voran als in den Vortagen. Trotzdem war ich überrascht, dass es auch mit Rückenwind noch ganz schön anstrengend war. In Dessau-Roßlau habe ich die Elbe über eine Brücke überquert und in Coswig, knapp 20 Kilometer weiter, ging es erneut mit einer Gierfähre auf die andere Elbseite. Von hier waren es nur nochmal knappe 20 Kilometer bis Wittenberg. In Wittenberg angekommen bin ich einmal komplett durch die Altstadt auf die andere Seite gefahren, denn dort lag meine Unterkunft für die nächsten beiden Nächte. 

Mein Zimmer hier im Johanniter-Haus gleicht fast schon einem Saal, so groß ist es. Ich habe schon öfter in Johanniter-Häusern übernachtet und bin dabei noch nie enttäuscht worden. Da könnten sich manche sogenannten 4-Sterne-Hotels etwas abschauen. Jedenfalls geht es heute Abend zu einem Italiener in der Altstadt und morgen werde ich mir noch Wittenberg anschauen. Wäsche waschen muss ich nicht mehr, denn ich habe nur noch 40 Kilometer Radfahren vor mir, dann sind die drei Wochen Urlaub leider schon fast wieder vorbei.

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Heute, Mittwoch, war ich ein wenig zu Fuß in Wittenberg unterwegs. Die Geschichte erschlägt einen hier fast ein wenig. Es gibt fast kein Haus, an dem nicht eine Gedenktafel an irgendeine verdiente Person aus der Vergangenheit angeschlagen ist. Und natürlich ist das Thema Luther allgegenwärtig. Fast schon bescheiden dagegen die Pforte der Schlosskirche, an die Luther damals seine Thesen angeheftet haben soll. Die Altstadt ist jedenfalls gut erhalten oder gut restauriert. Und da das Wetter auch einigermaßen mitgespielt hat, habe ich den letzten richtigen Urlaubstag nochmal in vollen Zügen genossen. 

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Nach einem äußerst opulenten Frühstück im Johanniter-Haus ging es um kurz nach 09:00 Uhr auf die letzten 40 Kilometer meiner Tour. Die Sonne lies sich zwar nicht blicken, aber es war immerhin trocken. Allerdings haben mich die ersten 20 Kilometer ganz schön außer Puste gebracht, denn es ging fast nur bergauf. Nicht sehr steil, aber dafür kontinuierlich. Der Wind war i.d.R. kein Thema, denn ein Großteil der Route verlief im Wald und da ist Wind meist kein Problem. 

Auf jeden Fall hatte ich während der ersten Hälfte der Etappe meine Zweifel, ob ich den Zeitplan, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr in Bad Belzig zu sein, auch einhalten kann. Aber, weiter oben steht’s ja, wo es bergauf geht, da geht es irgendwann auch wieder bergab. Und so ging es dann auf dem zweiten Teil der Strecke häufig über lange Strecken bergab oder zumindest eben. Nachdem ich die Autobahn A9 unterquert hatte, führte der Radweg oft entlang einer kleinen, schmalen Landstraße. Ich war gespannt, ob ich diese Straße nachher mit dem Auto auf dem Heimweg befahren würde.

Jedenfalls war ich dann doch schon kurz nach 12:00 Uhr in Bad Belzig. Mein Auto war auch noch da und niemand hat mich darauf angesprochen, dass ich es jetzt drei Wochen auf dem Parkplatz der Pension habe stehen lassen. Gepäck runter, Vorderrad raus und rein ging es mit dem Fahrrad in den Kofferraum. Schnell noch die Schuhe gewechselt und schon ging es hinter das Steuerrad und zurück auf die Straße.

Tatsächlich fuhr ich auf den knapp 20 Kilometern bis zur Autobahn einen Großteil der Strecke, die ich gerade mit dem Fahrrad gekommen bin. Weiter gibt es nicht viel mehr zu berichten. Um Leipzig herum kam es wieder zu stockendem Verkehr, aber kein Vergleich mit den Staus bei der Hinfahrt. Diesmal habe ich den Ladepunkt in Nempitz auf Anhieb gefunden und bin von dort weiter nach Himmelskron. 

Das Hotel dort war, na ja, Autobahnhotel halt. Weder schön, noch sauber, noch ruhig. Aber für eine Nacht durchaus auszuhalten. Dafür musste ich nicht, wie befürchtet, im Tankstellen-Restaurant Essen gehen, sondern es gab ganz in der Nähe einen großen Landgasthof mit echter, reichhaltiger, fränkischer Küche. An der zum Hotel gehörenden Tankstelle habe ich mir danach noch ein Eis gegönnt, bevor ich schlafen gegangen bin. Da es an der Tankstelle auch Ladesäulen gab, war mein Auto inzwischen wieder auf 100% voll und ich konnte am nächsten Morgen schon früh den restlichen Heimweg antreten. Es hat nochmal zwei Ladestoppes, in Herrieden und in Illertissen gebraucht, dann war ich zu Hause. 

Das Fazit dieser Radreise? Es war eine sehr gelungene Tour. Ich war sehr glücklich, endlich wieder reisen zu können, ohne Corona-Einschränkungen bei der Übernachtung, etc. Ich bin in den drei Wochen nicht wirklich nass geworden, was für Radurlaub schon sensationell ist. Auch die im Grunde für August viel zu kühlen Temperaturen waren für das Radeln geradezu ideal. Jetzt hoffe ich, dass ich 2022 vielleicht mal wieder ins angrenzende Ausland fahren kann. Aber wenn nicht, finde ich sicher auch wieder eine schöne Tour quer durch Deutschland.

 


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