Am nächsten Morgen hieß es zum letzten Mal fahrradtauglich packen, denn ich musste ja noch bis zum Flughafen fahren. Auf diesen sechs Kilometern habe ich irgendwie jeden Meter des Weges genossen, führte die Strecke doch überwiegend direkt am Meer entlang und das bei bestem Sonnenschein. Der internationale Flughafen von Key West erwies sich als doch recht übersichtlich und ich habe den Schalter der Hertz-Autovermietung auf Anhieb gefunden. Die Dame an der Rezeption meines Hotels hatte mir auch eine sehr gute Wegbeschreibung mitgegeben. Obwohl ich noch über eine Stunde zu früh dran war habe ich das bestellte Fahrzeug sofort bekommen. Statt des als Beispiel angegebenen Jeep Gran Cherokee war es dann doch „nur“ ein Kia Sorento. Der war immerhin so groß, dass bei umgeklappten Rücksitzen das Rad komplett reingepasst hat, ohne dass ich etwas demontieren musste.
Dann ging es praktisch auf der gleichen Strecke zurück, die ich in den letzten Tagen gekommen war. Es war schon seltsam, die entsprechenden Übernachtungsquartiere im Abstand von jeweils gut einer Stunde vorbeiziehen zu sehen. Ich hatte zwar ein Fahrzeug mit Navi bestellt, jedoch war keines verfügbar gewesen. Auf den Keys war das kein Problem, da der Highway 1 nicht wirklich zu verfehlen war. Schwieriger wurde es dann nördlich von Homestead als ich auf unbekannten Straßen unterwegs war und mein Motel in Davie suchen musste. Aber Dank Smartphone-Navigation und Google-Maps habe ich mein Quartier auf Anhieb gefunden.
Am Sonntag ging es dann ganz gemütlich weiter in Richtung Orlando. Vorbei ging es am riesigen Lake Okeechobee. Bei einem kurzen Zwischenstopp musste ich feststellen, dass dagegen der heimische Bodensee fast wie eine Pfütze wirkt. Mit einem Tankstopp, bei dem ich zum ersten Mal seit Jahrzehnten Normalbenzin tanken musste, kam ich ohne Zwischenfälle am frühen Nachmittag in meinem Hotel nahe des internationalen Flughafens von Orlando an. Das befand sich ca. 25 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Nicht so günstig für Sightseeing in Downtown, aber sonst gibt es in Fußreichweite des Hotels einige gute Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten.
Ich habe dann doch auf den Besuch von Themenparks verzichtet, da mir die Preise für Eintritt und Express-Pass für das Gebotene zu teuer waren. Stattdessen werde ich hier einfach etwas relaxen und die letzten Tage mit Nichtstun genießen. Am Montag kam pünktlich ein Paket aus der Heimat mit der Fahrradtransporttasche und entsprechendem Verpackungsmaterial an. Abends habe ich mein Rad zerlegt und flugtauglich verpackt. So steht es nun in meinem Zimmer und wartet auf die Heimreise.
Am Dienstag bin ich mit den Bus in die Innenstadt von Orlando gefahren. Die Verbindung ist für die Entfernung sehr gut. Dauert eine Stunde und kostet 2,50 $. Ich habe den Tag bei viel Sonne und entsprechend warmen Temperaturen genossen. Sollte es zu Hause keinen guten Sommer geben, habe ich ihn für dieses Jahr jedenfalls schon gehabt.
Am Mittwoch hat es bis Mittag stark geregnet. Am Nachmittag bin ich in die nahe gelegene Shopping-Mall bummeln gegangen. Außer einem Nackenkissen für den Rückflug habe ich aber nichts brauchbares gefunden. Am Abend ging es dann zum letzten Abendessen dieser Reise nochmal ins LongHorn-Steakhouse. Langsam kam Wehmut auf, denn ich mache alles zum letzten Mal auf dieser Reise. Ich kann gar nicht glauben, wie unheimlich schnell acht Wochen vergangen sind. Ich bin doch gerade erst angekommen und habe mich an die Eigenheiten im Süden der USA gewöhnt und nun geht es schon wieder zurück?
Der Donnerstag hat mich wieder mit strahlend blauem Himmel begrüßt. Nach dem Frühstück habe ich mein Gepäck flugtauglich verpackt. Dann bin ich nochmal in den nahe gelegenen Airport Lakes Park gegangen und habe mir etwas die Beine vertreten, die Ruhe im Park genossen – abgesehen von den im Minutentakt startenden und landenden Flugzeugen – und habe den Wasservögeln bei der Nahrungssuche zugeschaut. Dann hieß es warten. Um 16:30 Uhr hat mich der Airport-Shuttle des Hotels zum Flughafen gebracht. Da der keine fünf Meilen entfernt war, war es nur eine kurze Fahrt. Schon nach einer Stunde war ich komplett eingeckeckt und durch die Kontrollen durch. Und somit hieß es wieder warten bis um 20:45 Uhr das Boarding begann. Auch auf dem Rückflug war das Flugzeug wieder ziemlich ausgebucht, ich hatte jedoch Glück, dass der Platz neben mir leer blieb. Störend war, dass der vor mir in der Sekunde, als die Anschnallzeichen erloschen sind, seinen Sitz in Liegeposition gebracht hat und so blieb, bis die Anschnallzeichen zur Landung wieder angingen. Da bleibt in der Touristenklasse nicht mehr viel Platz, so dass sogar das Lesen im Buch für mich etwas problematisch wurde. Und so begann die lange Nacht des Rückflugs, bei dem ich mich Stunde für Stunde wieder der deutschen Winterzeit näherte.
Auch der Rückflug war überpünktlich, so dass wir eine halbe Stunde vor der Zeit in Frankfurt gelandetn sind. Nach dem langen Flug war es dann eher angenehm, den weiten Weg zum Gate für den Flug nach Friedrichshafen zurückzulegen. Und auch dieser Flug startete sehr pünktlich und nach weiteren 35 Minuten bin ich nach knapp acht Wochen wohlbehalten wieder in Friedrichshafen angekommen. Bei der Gepäckausgabe war ich so ziemlich der letzte, bis ich meinen Nylonsack mit den Gepäcktaschen und mein Fahrrad erhalten habe. Und dann interessierte sich auch noch der Zoll für mich. Wollte nicht glauben, dass ich mein Rad nicht in den USA gekauft habe, sondern von zu Hause aus mitgenommen hatte und dass ich tatsächlich keine Souvenirs gekauft habe. Aber schließlich durfte ich doch passieren und nach kurzer Fahrt mit dem Taxi war ich wieder zu Hause.
Obwohl ich inzwischen schon einige Tage wieder zu Hause bin und mich der Alltag längst schon wieder eingeholt hat, fällt es mir schwer ein eindeutiges Fazit zu ziehen. Das geht nicht mit wenigen Worten und es gibt auch kein eindeutiges gut oder schlecht. Dafür waren diese acht Wochen einfach zu vielfältig. Es war ein einmaliges Erlebnis an das ich mich immer erinnern werde und das ich auf gar keinen Fall missen möchte. Es war ein Erlebnis, es war ein Abenteuer und es war für mich auch des öfteren eine große Herausforderung. Ich habe mich daran gewöhnt, 40 Kilometer und mehr ohne jede Kurve immer nur in ein und dieselbe Richtung zu fahren. Ich habe mich daran gewöhnt, praktisch tagelang entlang einer Autobahn auf dem Seitenstreifen zu fahren – wenn ich dazu den Vergleich zum deutschen Straßennetz ziehen darf. Ich habe gelernt mich in der (noch) eher Fußgänger- und Radfahrerfeindlichen Welt der USA zu bewegen und zu behaupten. Trotz der acht Wochen und der über 2.500 Kilometer auf dem Fahrrad kann ich nicht behaupten, die USA oder die Amerikaner zu kennen, dafür ist das Land viel zu groß und ich hatte mich ja nur im äußersten Süden der USA aufgehalten. Es gibt also noch viel zu entdecken und Strecken wie die Radroute der Route 66 würden mich schon reizen. Aber während meines Arbeitslebens werde ich das am Stück nicht angehen können, maximal in mehreren Teiletappen. Die Amis sind überwiegend sehr freundlich, jedoch sehr oberflächlich. In der einen Sekunde zeigen sie sich überaus interessiert an einem, wo man herkommt, wo man hin möchte, dass das ganze Vorhaben ja unglaublich ist, usw. Und in der anderen Sekunde haben sie alles schon wieder vergessen und laufen desinteressiert davon.
Was mich bis zum letzten Tag gestört hat und woran ich mich nicht mehr gewöhnen kann und möchte sind Dinge wie die, aus meiner Sicht, übertriebene Wegwerfgesellschaft. Täglich landet alles, was man zum Frühstück benötigt, auf dem Müll. Ebenso die vermüllte Umwelt. War ich bisher der Meinung, die südeuropäischen Länder hätten hier noch viel zu tun, empfinde ich es nun so, dass die USA da noch viel, viel weiter hinten rangieren. Auch die Automobilversessenheit ist nicht mehr meine Welt. Es gibt unglaubliche Bruchbuden von Leichtbauhäusern, in denen ich Angst hätte, dass sie über mir zusammenbrechen, aber vor den Häusern stehen vier bis sechs riesige Trucks. Auch mein Mietwagen war ein V6 Benziner, der wird in Deutschland in der Form gar nicht angeboten. Unglaublich wie viele Amerikaner morgens von ihrem Motelzimmer aus ihren Wagen per Fernsteuerung starten und eine halbe Stunde vorheizen oder kühlen lassen. Auf Parkplätzen steht die Hälfte der Fahrzeuge mit laufendem Motor – aus den gleichen Gründen. Für mich ein Unding, umso mehr da ich in der Zwischenzeit ja ein Elektroauto fahre und mich gerade damit beschäftige, wie ich damit über Ostern nach Südtirol und zurück fahren kann. Aber ich konnte auch viele Anzeichen entdecken, dass zukünftig mehr für Fußgänger und Radfahrer getan wird. Wenn Straßen neu gebaut werden, wird i.d.R. auch eine ausgewiesene Bike-Lane angelegt und ein breiter Gehweg mitgebaut. Noch ignorieren die Autofahrer weitgehend die Bike-Lane, aber der Anfang ist gemacht.
Für mich ist es unverständlich, dass die Amis so wenig Interesse an Umweltthemen haben. Dabei hatten sie während meiner Zeit dort im Norden mit -45 Grad Kälte zu kämpfen. Gleichzeitig waren es im Süden über 30 Grad und nur 250 Kilometer von mir entfernt haben Tornados eine ganze Stadt verwüstet. Die eineinhalb Tage hinter Panama City waren unglaublich bedrückend, nie zuvor hatte ich so hautnah und live gesehen, was ein Hurricane anrichtet. In Mexico Beach gab es kein unbeschädigtes Haus, alle Leichtbauten waren vom Wind fortgeweht worden. Was braucht es noch um zu akzeptieren, dass hier umwelttechnisch etwas falsch läuft?
Auf das Essen möchte ich nicht eingehen, dafür ist das Thema zu subjektiv. Was mir über so lange Zeit spürbar gefehlt hat, ist natürlich das deutsche Brot. Das erste, was ich zu Hause gemacht habe, war mich mit frischem vollwertigem Brot satt zu essen. Und ich merke, dass mein Bedarf am McD & Co. für einige Zeit erstmal gedeckt ist :-).
Bleibt noch mein Equipment. Das hat sich auch in den USA bewährt. Obwohl ich ein in Radreisekreisen eher verpöntes Hightech-Reiserad fahre, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten damit. Ich musste keine Kette schmieren, nachspannen oder gar ersetzen, dafür musste ich ab und zu einen etwas lauteren Zahnriemen in Kauf nehmen. Super zufrieden war ich mit dem Pinion-Getriebe. Es lies sich immer einwandfrei schalten und es stand für jede Situation immer der passende Gang zur Verfügung. Auch alle elektrischen Geräte haben problemlos durchgehalten, angefangen von der Smartwatch über das GPS bis hin zum Tacho. Ich bin hier von Garmin überzeugt und wurde nicht enttäuscht. Einziger Ausfall war die Action-Cam von Drift. Die hatte zwar nach dem ersten Ausfall zwischendurch wieder funktioniert, aber nicht für lange. Leider ist das Gerät aus der Gewährleistung raus, so dass ich es nicht mehr reklamieren kann. Insgesamt hat sich gezeigt, dass für eine achtwöchige Reise kaum mehr benötigt wird als für drei Wochen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen habe ich nichts von dem, was ich mehr dabei hatte, auch wirklich gebraucht. In sofern hätte ich den großen Rucksack auf dem Gepäckträger nicht gebraucht, einzig für den Flug war der sehr praktisch. Komplett verschlissen habe ich die Kurzfingerhandschuhe, da ich die praktisch immer an hatte. Daneben wurden die von der Sonne so ausgebleicht, dass die Farbe nur noch sehr hell und blass zu erkennen ist. Ebenfalls verschlissen wurde die gepolsterte Radinnenhose. Da gab es zum Schluss Risse links und rechts zwischen Polster und Stoff. Auch das T-Shirt hat in der Sonne kräftig gelitten, was die Farbe angeht. Wie sehr die Dinge aber beansprucht werden, lässt sich immer leicht bei der Handwäsche erkennen. Unglaublich, wie verschmutzt das Wasser dabei ist. Aber, wie schon geschrieben, bis auf die Action-Cam hat alles soweit durchgehalten und ich werde auch zukünftige Radreisen ohne große Änderungen in der Ausstattung angehen. Schließlich hat es sich auch gelohnt, die Flüge mit der Lufthansa zu buchen und dafür etwas mehr zu bezahlen. Die Pünktlichkeit der Flüge war sensationell, ganz im Gegensatz zu meiner Erfahrung letztes Jahr von Nizza nach München mit einer Billig-Fluglinie. Und das Fahrrad hat die Flüge in der Transporttasche gut überstanden.
Mir macht Radreisen immer noch Spaß und ich bin schon in der Planung der nächsten Tour. Wo auch immer mich die hinführen wird, es wird auf jeden Fall in Europa sein :-). Danke an alle, die bis hierhin durchgehalten haben, meine amateurhaften Beiträge gelesen haben und mich über Whatsapp und Mails unterstützt und motiviert haben.
<– Marathon – Key West
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