Der letzte Abend in Cagnes-Sur-Mer

Der letzte Abend in Cagnes-Sur-Mer

Tja, nachdem ich ein so tolles Hotel in Cagnes-Sur-Mer hatte und außerdem schon ein paar Mal in Nizza war – schließlich endet hier auch die Route des Grandes Alpes, die ich mehrfach schon mit dem Motorrad gefahren bin, habe ich mich entschieden, einen echten Faulenzertag zu verbringen. Ich habe den ganzen Tag einfach nur nichts gemacht, außer die Hotelanlage mit Pool und Garten, sowie mein Zimmer und seinen Balkon zu genießen. Und das war richtig schön. 

Ganz so wenig war es dann doch nicht, denn ich habe mein Rad vom gröbsten Dreck gereinigt und auch meine Packtaschen soweit gesäubert. Schließlich wusste ich nicht genau, was mich am nächsten Tag auf dem Flughafen erwarten wird. Ein mulmiges Gefühl hatte ich schon, denn es war ja das erste Mal, dass ich versuche mein Fahrrad in einem Flugzeug mitzunehmen. Außerdem musste ich noch etwas umpacken, denn Werkzeugtasche und Trinkflaschen dürfen nicht am Rad verbleiben, die mussten mit ins Gepäck rein. 

Am nächsten Tag habe ich dann mein Rad beladen und bin die 3,5 Kilometer bis zum Flughafen geradelt. Zeit hatte ich ja zur Genüge, ist auch gut so, denn auf anreisende Radfahrer ist man am Flughafen eher nicht eingestellt. Aus der Beschilderung ging nicht hervor, ob ich in Terminal 1 oder 2 richtig bin. Nachdem ich viele Leute mit Gepäck im Terminal 2 habe verschwinden sehen, habe ich mein Glück dort versucht. War natürlich falsch und ich musste ins Terminal 1. Um von 2 in 1 zu kommen, habe ich immerhin 20 Minuten gebraucht. Aber hier war ich dann richtig. Nun hieß es warten. Als ich den Flug gebucht hatte, sollte der Abflug um 13:30 Uhr sein. Noch zu Hause hatte ich die Information erhalten, dass der Flug auf 14:45 Uhr verschoben wäre. Soweit alles kein Problem, aber als ich im Flughafen auf mein Smartphone geschaut habe, hatte ich eine neue Benachrichtigung, der Flug würde sich auf 16:00 Uhr verschieben.

OK, auch noch kein Problem, aber so langsam musste ich aufpassen. Ich wusste ja noch nicht, wie viel am Rad ich demontieren musste und wie lange ich in München auf mein Rad würde warten müssen, um dann wieder alles dran zu schrauben, was ich in Nizza wegmachen muss. Also habe ich vorsorglich das Hotel angeschrieben, dass es später werden könnte. Vom Flughafen zum Hotel waren es nämlich rund 30 Kilometer, was 1,5 – 2 Stunden Radfahren bedeutet. Von dort gab’s Entwarnung, die Rezeption wäre die ganze Nacht besetzt und ich könne jederzeit einchecken. Ich habe dann mal die Pedale demontiert und den Lenker soweit gelockert, dass ich den problemlos gerade stellen konnte. Damit wollte ich mein Glück probieren.

Um 12:45 Uhr sollte der Check-In öffnen und je näher der Zeitpunkt kam, umso nervöser wurde ich. Ich hatte, außer meinem, kein anderes Fahrrad im Flughafengebäude entdeckt. Dazu kam, dass ich einen Sitzplatz genau gegenüber der Sperrgepäckaufgabe hatte und genau sehen konnte, was dort abgegeben wird. Da war ein reger Betrieb, wobei das meiste Kinderwägen waren, die dort aufgegeben wurden. Es waren auch ein paar wenige Fahrräder dabei, aber die waren komplett in Kartons verpackt. Schön und gut, aber woher soll ich den nach 1.300 Kilometer Radfahren nehmen? Für mein sonstiges Gepäck hatte ich einen Nylonsack dabei, in dem normalerweise Rucksäcke zum Transport verstauen kann. Darin passten problemlos die beiden hinteren Packtaschen, sowie die Gepäckträgertasche rein. 

Ich habe mich dann um 12:30 Uhr brav am Schalter angestellt und gewartet, was da so auf mich zukommt. Die Dame hat das ganz sehr gelassen genommen. Sie war mehr damit beschäftigt, sich für die Flugverspätung zu entschuldigen – in der Zwischenzeit lag schon wieder eine neue SMS vor, Verschiebung auf 17:00 Uhr – und mir einen Gutschein über 5,– € für die Unannehmlichkeiten auszustellen. Meinen Nylonsack mit dem Restgepäck hat sie anstandslos akzeptiert und auch mein Rad hat einen Gepäckaufkleber von ihr erhalten. Damit solle ich zum Sperrgepäckschalter, sonst sei alles OK.

Gut, erste Hürde genommen. Also wieder rüber zum Sperrgepäck. Hier den Lenker gerade gestellt und wieder festgezogen. Gut, dass mein Rad zu 95% mit Inbusschrauben zusammengebaut ist, einen Schlüsselsatz dazu hatte ich extra im Handgepäck mitgenommen. Dann sollte ich das Rad auf das Förderband für den Scanner legen. Gesagt – getan, aber liegend passt das Rad nicht durch den Scanner. Ich wurde blass, aber völlig umsonst. Das Rad wieder runter vom Förderband und neben der Absperrung durch. Es wurde dann mit einem Wattestäbchen eine Probe vom Schmutz genommen und nach was auch immer untersucht. Jedenfalls was das Ergebnis OK, denn der Daumen der Beamtin ging hoch. Und das war dann bereits alles. Unglaublich, die ganze Nervosität völlig umsonst. 

Ich war nicht ganz grundlos so nervös, denn in der Buchungsbestätigung stand klar drin, dass das Rad nur mitgenommen wird, wenn Pedale und Lenker abmontiert sind, die Luft aus den Reifen gelassen wird und das Rad in einer Transporttasche oder einem Karton verpackt ist. Zu Hause hatte ich das soweit auch alles ausprobiert um für den Notfall gerüstet zu sein. Nur ist die Frage eben, woher ich eine Tasche oder erst recht einen Karton nehmen soll, nach 1.300 Kilometer Reise. In dem Buch eines anderen Radreisenden habe ich gelesen, dass er auch immer direkt mit dem Rad zum Flughafen fährt und es unverpackt aufgibt. Normal würde es immer, nach mehr oder weniger Diskussion, so mitgenommen werden. Kann ich jetzt für Nizza so bestätigen.

Teil 1 hatte ich also geschafft. Nun hieß es warten, warten, warten. Es gab noch mehrfach nette SMS der Fluggesellschaft mit der Mitteilung, dass sich der Flug leider verschieben würde. Schließlich konnten wir dann um 18:10 Uhr an Bord und sind gegen 18:30 Uhr weggekommen. Die Flugzeit beträgt nur eine gute Stunde, so dass wir gegen 19:35 Uhr in München gelandet sind. 

Nun begann Teil 2 der Nervosität. Wo und wie kommt das Rad an? Erstmal mussten wir eine Ewigkeit auf das normale Gepäck warten. Das hat fast länger gedauert, als der Flug. Aber irgendwann kam mein Nylonsack auf dem Band angerollt. Er war tatsächlich noch heil, wenn er auch einige Gebrauchsspuren hatte. Also, meinen Sack geschnappt und nun ging es von Gepäckband 19 zu Band 7A, dort wäre die Sperrgepäckausgabe. Der Puls beschleunigte sich wieder, nicht nur wegen des weiten Weges. Aber wieder war alles völlig umsonst, denn als ich dort ankam, stand das Rad bereits so wie ich es in Nizza aufgegeben habe zur Abholung bereit. Etwas stutzig hat mich gemacht, dass sich niemand dafür interessiert hat, ob das auch mein Rad ist, ich konnte es einfach wegnehmen ohne einen Gepäckschein oder ähnliches zu zeigen. Das hätte also auch jeder andere so mitnehmen können.

Egal, ich hatte mein Rad und war überglücklich. Auf den ersten Blick war es auch vollkommen in Ordnung. Keine Schrammen oder sonstige Beschädigungen. Also den Lenker wieder quer gestellt, meine Gepäckstücke aus dem Nylonsack geholt und ans Rad dran gemacht und dann raus aus dem Flughafen. Draußen habe ich noch die Pedale angeschraubt und auf dem Vorplatz eine kleine Runde gedreht. Hat alles einwandfrei funktioniert. 

Auf Grund der späten Zeit habe ich mich dann entschieden, die Strecke bis nach Unterföhring zu meinem Hotel mit der S-Bahn zurückzulegen. Am Flughafen ging das recht problemlos, denn es gab einen Aufzug der groß genug für das Fahrrad und mich war. Schwieriger war es dann schon, am Automaten die Tageskarte für das Fahrrad zu lösen. Ich habe ewig gebraucht, bis ich den Menüpunkt gefunden hatte. Die Fahrkarte für mich war dagegen in wenigen Sekunden gelöst. Nach 15 Minuten kam die S-Bahn und hat mich in knapp 20 Minuten nach Unterföhring gebracht. In diesem Tiefbahnhof gab es leider keinen Aufzug, oder ich habe ihn nicht gefunden. Es ist ziemlich mühsam, das Rad inklusive knapp 20 Kilo Gepäck die Treppen hochzutragen. Als ich das hinter mir hatte, war es noch ein knapper Kilometer bis ins Hotel. Check-In und unterstellen des Fahrrads ging ruckzuck. Leider hatte aber das Restaurant bereits geschlossen. An der Bar würde es noch TK-Pizza oder Flammkuchen geben. Ich könnte auch im 7. Stock auf die Terassenbar, die hätte noch geöffnet und das gleiche Angebot. Also schnell auf’s Zimmer, kurz geduscht und umgezogen und hoch auf’s Dach. 

Nach der ganzen Warterei und der Ungewissheit ob und wie das mit dem Rad klappt, hat mir die Tiefkühlpizza hervorragend geschmeckt. Außerdem habe ich mir mal wieder ein Weizen gegönnt, das habe ich in ganz Frankreich vermisst. Um 23:30 Uhr war ich dann gestärkt und reif für’s Bett. 06:30 Uhr wollte ich wieder aufstehen, denn ich hatte noch knapp 15 Kilometer bis zum Busbahnhof zu radeln und der Bus fuhr um 09:30 Uhr ab. 

Aber auch das war kein Problem, denn ich war rechtzeitig wach. Die Fahrt nach München rein war problemlos, bis auf das zurecht finden in der Innenstadt. Ich war früh genug am Busbahnhof und habe nach einer kurzen Frage am Infoschalter auch den Bussteig gefunden, an dem mein Bus abfuhr. Wie immer werden zuerst die Passagiere abgefertigt und deren Gepäck verladen, erst dann kommt man als Radfahrer dran. Außer mir war noch einer mit Fahrrad da. Da der bis Konstanz gefahren ist, musste zuerst sein Rad auf den Träger und dann kam meines. Der Bus, ein Doppeldecker, war nur zu etwa 50% besetzt, so dass jeder bequem zwei Sitze zur Verfügung hatte.

Nach flotten 2,5 Stunden war ich in Friedrichshafen und habe die letzten drei Kilometer bis nach Hause zurück gelegt.

Da war ich nun also wieder nach 3,5 Wochen. Wie fällt mein Fazit aus? Über den Rheinradweg brauche ich nichts zu schreiben. Das ist eine perfekt ausgebaute und ausgeschilderte Rad-Autobahn, die von jedem mit etwas Kondition befahren werden kann. Die Wege in Frankreich, speziell entlang der Doubs, bzw. des Rhein-Rhône-Kanals waren überraschend gut. Abseits solcher Radrouten wird es schwieriger, weil man bei der Planung nicht weiß, wie stark die ausgesuchten Straßen befahren sind. Hier ist also etwas Leidensfähigkeit gefragt, denn die französischen Autofahrer überholen Radfahrer manchmal wirklich arg knapp. Aber zumindest bei mir ging alles gut. Aufpassen muss man entlang der Saône, der bei Openstreetmap ausgewiesene Radweg ist als Mountainbike-Parcour geeignet, nicht jedoch für ein voll beladenes Reiserad. Übernachten in Hotels und Pensionen war auf meiner Route auch überhaupt kein Problem. Bis auf einmal war auch immer mindestens ein Restaurant in der Nähe der Unterkunft. Essen gehen ist in Frankreich schon deutlich teurer als bei uns. Es ist kein wirkliches Problem, 50,–€ und mehr für eine Person liegen zu lassen. Das liegt aber mit an den Getränken. 4,50 – 6,– € für eine Flasche Mineralwasser sind üblich. Günstiger wird es mit stillem Leitungswasser, aber das mag ich halt nicht, wenn ich es schon den ganzen Tag aus den mitgenommen Trinkflaschen hatte. Aber alles in allem hat das Radfahren viel Spaß gemacht. Klar braucht man an der Côte d’Azur etwas Kondition, da es ständig bergauf und bergab geht, aber ich bin selten auf mehr als 800 Höhenmeter pro Tag gekommen. Verteilt auf 80 – 100 Kilometer und 6 – 8 Fahrstunden lässt sich das aber gut bewältigen. 

Ob ich nochmal mit meinem Rad fliege, weiß ich noch nicht. Auch wenn alles problemlos geklappt hat, ist die Anspannung doch sehr spürbar und frisst gleich wieder etwas von der Erholung weg. Aber andererseits habe ich noch viele Ziele vor, die ich nicht ohne Flugzeug erreiche – außer mit tagelangen Bahnfahrten, bei denen in vielen Ländern das Rad auch nur noch zerlegt und verpackt mitgenommen werden darf – oder in Nahverkehrszügen, was dann aber 10 – 20 mal Umsteigen, je nach Entfernung des Ziels, bedeutet.

So, das war jetzt ein ellenlanger Bericht, aber es hätte sich nicht mehr gelohnt, den in einzelne Abschnitte aufzuteilen. Ich danke allen, die bis zum Ende hier durchgehalten haben und freue mich wirklich auch auf Feedback zum Blog. Bis zum nächsten Mal.

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